Bauplanung
21.6.2024
Von vorOrt.news

Probleme bei geplanter Wohnanlage am Bareisl

Bauausschuss verweigert Einvernehmen mit verändertem Bauantrag

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Die neue Wohnanlage soll auf dieser Fläche entstehen, auf der sich derzeit ein Spielplatz befindet © L.G.

Bei der Planung einer neuen Wohnanlage in der Siedlung „Am Bareisl“ in Tutzing gibt es Probleme. Der Bau- und Ortsplanungsausschuss des Gemeinderats hat einem veränderten Bauantrag sein Einvernehmen verweigert. Das ist ein Empfehlungsbeschluss für den Gemeinderat, der noch eine Entscheidung fällen muss.

Unter den Mietern am Bareisl hat der Plan für einen Neubau mit 21 Wohnungen, seit er bekannt wurde, für viel Aufsehen und Kritik gesorgt. Der Bauausschuss hatte das Vorhaben im Mai 2023 zunächst begrüßt, das geplante Gebäude im planungsrechtlichen Innenbereich verortet und der Konzeption zugestimmt. Später führte die geplante Baumaßnahme jedoch bei den Bewohnern der Siedlung zu großem Unmut. Bareisl-Bewohner fürchten um ihre „Oase“ Nach mehreren Informationsveranstaltungen und Ortsbesichtigungen wurde die eingereichte Bauvoranfrage vor der abschließenden Behandlung im Gemeinderat zurückgezogen.

Im Dezember vorigen Jahres wurde ein detaillierter Antrag auf Baugenehmigung bei der Gemeinde eingereicht, der von der ersten Planung der Bauvoranfrage abwich. So wurde die Gebäudezeile statt mit einem Rücksprung nun mit zwei Rücksprüngen geplant, der Baukörper wurde nach Nordwesten abgedreht. Auch die Balkone wurden größer vorgesehen. Da die Flächen der Balkone der Haupt-Grundfläche zugerechnet werden, forderte die Gemeindeverwaltung vom Bauwerber eine detaillierte Berechnung der Grundflächen nach. Sie begründete dies damit, dass die Hauptgrundfläche neben den Höhen eine der wichtigsten Bezugsgrößen für die Beurteilung des Einfügens in die umgebende Bebauung nach Paragraf 34 des Baugesetzbuchs ist. Nach Prüfung der nachgereichten Berechnung und Vergleich mit den Bezugsobjekten Am Bareisl 43, 45 und 47 stellte die Gemeinde fest, dass das geplante Gebäude die Grundflächen der Bezugsobjekte deutlich überschreiten würde. Insofern füge sich aufgrund der Grundflächen das beantragte Gebäude nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Höhenentwicklung entspricht dagegen nach Auffassung der Verwaltung der umgebenden Bebauung.

Das "U" soll zum "O" werden

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Aus dem "U" mit drei Gebäudezeilen (links Mitte) soll durch Errichtung der neuen Wohnanlage ein "O" werden (zum Vergrößern bitte anklicken) © https://geoportal.bayern.de/bayernatlas/?lang=de&topic=ba&bgLayer=atkis&catalogNodes=11&E=669484.55&N=5309489.35&zoom=14

Durch die zwei nun geplanten Rücksprünge und die Abdrehung des Gebäudes nach Nordwesten stellt sich die Situierung des Gebäudes nach Auffassung der Gemeinde anders dar als bei der ursprünglichen Bauvoranfrage. Im südlichen Bereich entferne sich das Gebäude weiter vom Bach, komme dadurch im nördlichen Bereich aber naher an den Außenbereich heran und rage mehr über die gedachte Linie zwischen dem nördlichen und dem südlichen Bezugsobjekt hinaus als bei der ursprünglichen Planung.

Die Gemeindeverwaltung hat diese Problematiken nach eigenen Angaben mit dem Bauwerber besprochen. Daraufhin habe dieser den Antrag zurückgezogen. Er habe zunächst ein Gespräch mit dem Landratsamt führen wollen, um die aufgeworfenen Themen zu klären. Nach Auskunft des Bauwerbers sei ein Termin mit dem Kreisbauamt jedoch nicht zustande gekommen. Der im Dezember eingereichte und dann zurückgezogene Antrag auf Baugenehmigung im Mai erneut eingereicht und auf Anforderung der Gemeindeverwaltung durch weitere Unterlagen ergänzt.

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Der veränderte Antrag auf Baugenehmigung sieht nach Angaben der Gemeinde die Ergänzung der Wohnanlage „Am Bareisl“ um ein weiteres Mehrfamilienhaus mit 21 Wohneinheiten für Mietwohnungen vor. Das jetzt bestehende städtebauliche „U“ soll dabei durch einen Baukörper im Westen geschlossen werden, so dass ein „O“ entsteht und ein Innenhof gebildet wird. Weiterhin ist eine Tiefgarage mit 66 Stellplätzen und 21 Fahrradabstelleinheiten vorgesehen. Die Tiefgarage soll nach den Angaben nicht nur den Stellplatzbedarf des Neubaus decken, sondern auch für den Rest der Siedlung dienlich sein, um die vorhandene Parkplatzproblematik zu verbessern.

Innenbereich oder Außenbereich?

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Die Siedlung "Am Bareisl" ist eine von drei in den 1960er und 1970er Jahren vor allem für Bundeswehr-Angehörige und ihre Familien errichteten Wohnanlagen in Tutzing. Als erste von ihnen wurde 1960 die Siedlung „Am Höhenberg“ bezugsfertig, dann folgten 1964 „Am Bareisl“ und 1972 die „Luswiese“. © L.G.

Die Gemeindeverwaltung hält nun zunächst im ersten Schritt eine Prüfung für erforderlich, ob es sich bei dem Baugrundstück um planungsrechtlichen Innenbereich oder um Außenbereich handelt. Davon hänge die Genehmigungsfähigkeit nach Paragraf 34 des Baugesetzbuchs (Innenbereich, Umgebungsbebauung) ab. Sonst sei ein Bebauungsplan zur Entwicklung notwendig. Dabei könne dann auch gegebenenfalls die so genannte sozialgerechte Bodennutzung „SoBoN“ Anwendung finden, nach der Bauwerbern neues Baurecht unter der Voraussetzung genehmigt werden kann, dass sie im Gegenzug einen Teil ihrer Fläche zu günstigen Konditionen zur Verfügung stellen.

Die Gemeindeverwaltung geht nach eigenen Angaben nach wie vor von einem planungsrechtlichen Innenbereich aus, so dass etwaige Bauvorhaben nach Paragraf 34 des Baugesetzbuchs behandelt würden. Der Abstand des nördlichen zum südlichen Flügel betrage weniger als 90 Meter. Der Graben und der Bach bildeten eine Zäsur, so dass der Bereich westlich davon eindeutig als Außenbereich zu verorten sei. Das Vorhaben befinde sich jedoch östlich des Grabens und des Bachs. Daher würden sie von dieser Zäsur nicht tangiert. Der von den drei Gebäuden eingegrenzte Bereich sei zu klein, als dass Außenbereich im Innenbereich angenommen werden könne. Insofern ist nach Auffassung der Gemeindeverwaltung eine Beurteilung nach Paragraf 34 des Baugesetzbuchs gegeben. Diese Auffassung vertrete auch der Rechtsanwalt der Gemeinde für bauliche Angelegenheiten. Die abschließende Entscheidung liege aber beim Landratsamt.

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Kommentare

Dass in der grünen Insel des Bareisl kein zusätzlicher Boden versiegelt wird, dürften in den kommenden Jahren die Anwohner und Geschäfte der Hauptstraße sehr dankbar zur Kenntnis nehmen. Denn mit der immer weiter zunehmenden Häufigkeit und Intensität von Starkregenereignissen, die wir derzeit sehr eindrücklich vorgeführt bekommen, wird jeder im Ort nicht gefällte Baum und jeder nicht versiegelte Quadratmeter Boden Einfluss darauf haben, wie hoch das Wasser bei Starkregenereignissen in den tieferen Ortslagen ansteigt.

Der österreichische Meteorologe Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimaforschung am GeoSphere Austria, erklärt die Zusammenhänge für den deutsch-österreichischen Alpenraum sehr gut verständlich. Und er prognostiziert, was auf uns zukommen wird, während in Norditalien schon Hagelkörnergrößen von 20 cm gemessen wurden. Es lohnt also, sich mit dem Thema zu befassen, denn die düstere Klimazukunft ist in diesem Jahr im Alpenraum zur Gegenwart geworden. Und deren Folgen entscheiden sich durchaus im Kleinen, also am Bareisl und überall dort, wo versiegelt (oder besser nicht versiegelt) wird.

https://www.derstandard.de/story/3000000224273/immer-mehr-unwetter-wie-schuetzen-wir-uns
Danke, liebe Mitglieder des bauausschusses für diese vernünftige entscheidung!! So kann auch Familien die sich in tutzing keinen eigenen garten leisten können die spielfläche für kinder und der baumbestand erhalten bleiben!! Danke auch an eigenheim bau dass sie den antrag zurückgezogen haben.
Dieses Bauvorhaben hatte im letzten Jahr zu Recht für große Aufregung gesorgt. Einen Kinderspielplatz mit schützenswertem Baumbestand und Grünfläche ortsplanerisch als Baulücke bezeichnen zu dürfen, ist an sich schon verrückt genug.

Den Bereich durch neue Regeln dann im Innenraum zu verorten, um im Landkreis leichter Wohnraum zu schaffen - komme was wolle - ein Traum für jeden Liebhaber der Flächenversiegelung und Natur-Allergiker.

Aber wenn es dann sogar den konservativen Vertretern im Ausschuss ins Auge sticht, dass die nun eingereichte Planung im Vergleich zur letzten vorsieht, dem Neubau nochmal zusätzliche Grün-und Spielplatzfläche zu opfern. Der Bau die Grenzlinie zum Außenbereich sogar noch überschreitet, um das Maximal(Un)mögliche rauszuholen. Die Größe des Neubaus die des Bezugsobjekts deutlich überschreitet und die Anwohnerschaft nun durch einen Innenhof belastet würde.

Dann bestätigt sich die Vermutung, dass bei diesem Vorhaben der Rausch des Größenwahns eingesetzt haben muss. Rendite, Rendite, Rendite!

Ein Jahr hat es gedauert. Doch es ist sehr begrüßen und erleichternd zu sehen, dass die Volksvertreter(!) im Bauausschuss dies nun in diesem Jahr auch erkannt und klare Haltung gezeigt haben, indem sie den Antrag einstimmig abgelehnt haben. Alles andere wäre ohnehin eine Farce gewesen.

Wie man dies nun im LRA bewertet, wird zu beobachten sein. Vielleicht hat es das diesjährige Hochwasser geschafft, dass auch dort die Vernunft verspätet Einzug erhält. Dann würde man verstehen, dass die Planung eines Innenhofs auf einer Tiefgarage mit kompletter Flächenversiegelung, in dieser Lage, angesichts der klimatischen Veränderungen mit hohem Niederschlag und Hitzestau, eine der schlechtesten Ideen ist, die man ortsplanerisch im Jahre 2024 überhaupt haben kann und folglich konsequent abgelehnt gehört!
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