Wirtschaft
12.9.2021
Von vorOrt.news

Firmen kommen und gehen

Der Wegzug von Steinmüller lenkt die Aufmerksamkeit auf die wirtschaftliche Lage von Tutzing

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Als wichtiger Firmen-Zuzug in Tutzing gilt die Ansiedlung des Unternehmens W.A.F. in Kampberg, die wegen ihrer geschäftlichen Expansion bereits einen Erweiterungsbau benötigt © W.A.F.

Der Arbeitskleidungs-Spezialist Steinmüller ist nicht das erste Unternehmen, das Tutzing verlässt. Wegzug von Tutzing nach 70 Jahren Andere Firmen, die in den vergangenen Jahren andere Standorte vorgezogen haben, sind beispielsweise die von der Greinwaldstraße nach Wielenbach verlagerte Druckerei Molnar oder der Kopfhörer-Hersteller Ultrasone, der von Unterzeismering aufs Gut Raucherberg umgesiedelt ist.

Dagegen stehen Ansiedlungen anderer Unternehmen wie etwa die der Firma W.A.F., eines Anbieters von Seminaren für Betriebsräte und der Klinik P3 oder erwartete weitere Zuzüge auf dem ehemaligen Gelände der Pharmaunternehmen Boehringer-Mannheim und Roche, die Tutzing ihrerseits schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt haben.

Steinmüller hatte in Tutzing über Jahre nach einem passenden Grundstück gesucht, aber keinen geeigneten Standort gefunden. Bürgermeisterin Marlene Greinwald bedauert dies sehr. „Wir sind auf der Suche nach Möglichkeiten für ein Gewerbegebiet“, sagt sie, „aber das ist ganz schwierig.“

Wäre die frühere Kiesgrube bei Traubing für ein Gewerbegebiet geeignet?

Seit langer Zeit gilt die ehemalige Kiesgrube der Firma Groll nahe der Bundesstraße 2 als denkbare Fläche für ein neues Tutzinger Gewerbegebiet. Dieses Areal ist nicht weit entfernt vom Wielinger Gewerbegebiet, auf dem nun Steinmüller ein neues Firmengebäude errichtet hat. Wieling ist auf Feldafinger, die Kiesgrube auf Tutzinger Gebiet - es wären also zwei Gewerbegebiete in direkter kommunaler Nachbarschaft. Greinwald hält die frühere Kiesgrube für einen geeigneten Standort, äußert sich aber hierzu wenig zuversichtlich. Dort müsse zunächst gebohrt werden, und wenn es auch nur die kleinsten Anzeichen für Altlasten gebe, müssten die erst einmal entfernt werden. Auf dem Gelände der früheren Kiesgrube ein Gewerbegebiet zu planen, bezeichnet sie als „fast unmöglich“.

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Die Zufahrt zur ehemaligen Kiesgrube der Firma Groll, hier im Bild, ist nicht weit vom Wielinger Gewerbegebiet (im Hintergrund) entfernt. Dieses Bild ist vor der dortigen Ansiedlung des Unternehmens Steinmüller entstanden. © L.G.

Gewerbeansiedlungen sind heftig umstritten

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Die Beschilderung erinnert noch an die alte Kiesgrube. Viele betrachten diesen Standort als geeignete Fläche für ein Gewerbegebiet, doch andere halten dies eher für problematisch. © L.G.

Ob und in welchem Ausmaß eine Gemeinde Gewerbeansiedlungen in ihrem Bereich fördern sollte, das ist ohnehin heftig umstritten. Die einen sehen wichtige Vorteile von Arbeits- und Ausbildungsplätzen bis zur allgemeinen Geschäfts- und Ortsbelebung, die anderen beklagen Lärm, Umwelt- und Verkehrsbelastungen. Als Finanzierungsmöglichkeit für Kommunen gelten Unternehmen aber schon wegen der wichtigen Gewerbesteuern vielfach als notwendig.

Tutzings Bürgermeisterin hat schon oft festgestellt: „Wir sind halt eine arme Gemeinde.“ Mit der Suche nach Möglichkeiten für ein Gewerbegebiet versucht sie quasi eine Tugend aus einer Not zu machen. Denn sie hält es generell für falsch, dass die Kommunen ihre Finanzierung mehr und mehr über Gewerbeansiedlungen bewältigen müssen. Eigentlich müsse es eine gerechte Verbindung zwischen den Orten geben: „Was allein Weilheim an Gewerbegebiet bekommt, ist ungerecht“, sagt sie, „die verprassen die ganze Fläche.“ Die Gewerbesteuer müsste ihrer Meinung nach eigentlich in einem Topf kommen und auf die Kommunen pro Kopf der Bevölkerung aufgeteilt werden. „Das ist in anderen Ländern anders.“

Schwere Transporte mussten auf dem Weg zum Tutzinger Pauliweg umgeladen werden

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Kaum zu glauben: In diesem Gebäude (rechts) am Tutzinger Pauliweg hat die Familie Steinmüller über Jahrzehnte ein überregional tätiges Unternehmen mit 15 Mitarbeitern betrieben © L.G.

Als wesentliches Hindernis für die Ausweisung neuer Gewerbegebiete erweist sich der umfassende Landschaftsschutz in der hiesigen Gegend. Bürgermeisterin Greinwald zeigt sich auch in dieser Hinsicht enttäuscht. Bei der Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten habe man einst erklärt, das sei alles kein Problem, man könne ja einzelne Gebiete wieder aus dem Landschaftsschutz herausnehmen: „Aber inzwischen ist das ganz anders.“ Hinzu kämen sehr hohe Auflagen, die nicht immer mit dem Klimaschutz zu tun hätten. Greinwald wünscht sich „eine Zusammenarbeit aller Ämter“, um in solchen Fällen Lösungen zu finden: „Es wäre sehr schön, wenn nicht jeder nur seinen Tunnelblick hätte.“

Den Wegzug von Steinmüller hat der Firmenchef auch mit infrastrukturellen Aspekten begründet. Nach seinen Angaben waren beispielsweise schwere Transporte auf dem engen Pauliweg, wo sein Unternehmen bisher ansässig war, kaum möglich. Lieferungen hätten oft umgeladen werden müssen.

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Das neue Firmengebäude von Steinmüller - links im Wielinger Gewerbegebiet - ist schon von weitem zu erkennen

Steinmüller verweist auch auf andere enge Straßen oder nur begrenzt belastbare Brücken. Solche Probleme gibt es im Wielinger Gewerbegebiet direkt an der Bundesstraße nicht. Als Vorteil betrachtet Steinmüller die dortige Lage nicht nur wegen der guten Erreichbarkeit, sondern auch aus optischen Gründen: An dem neuen Standort werde das Unternehmen ganz anders wahrgenommen. In Tutzing, sagt er, wäre dies kaum möglich gewesen.

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