„Unfassbar schöne Sternennächte“ hat er erlebt. Die Milchstraße zog sich quer über den ganzen Himmel. Wenn er lange genug hinschaute, konnte er auf der rechten Seite des Horizonts sehen, wie Sterne auftauchten und auf der anderen Seite, wie sie untergingen. Dieses tief beeindruckende Erlebnis hatte York Hovest bei seiner Atlantiküberquerung - im Ruderboot. Diese „verrückte Idee“, wie er sagt, hatten er und seine beiden Freunde Andreas Stollreiter und Rainer Ballwanz schon 2018. Am Samstag berichtete York Hovest über das Abenteuer des Trios im Tutzinger Südbad. Dort hatten sich etwa 200 bis 300 Zuschauer eingefunden, um der außergewöhnlichen und spannenden Reise zu folgen.
Suche nach Lösungen für ein Ende des Plastikwahns und der Umweltsünden
Der Sinn dieser Unternehmung war, auf die gigantische Verschmutzung der Meere weltweit hinzuweisen. Als Fotograf war York Hovest jahrelang unterwegs gewesen, um über das Problem des Plastikmülls in den Ozeanen zu berichten und darüber, wie die Tiere im Wasser darunter leiden. Sein Ziel ist es, gemeinsam mit seinen Freunden Lösungen für ein Ende des Plastikwahns und der Umweltsünden zu suchen. Um immer mehr Interessenten, Institutionen und NGOs zu aktivieren, hat Hovest inzwischen die Online-Plattform „Heroes of the sea“ aufgezogen, auf der er über Walschutz, Überfischung, Umweltkatastrophen und vieles andere mehr berichtet. Vor allem legt er auch einen Schwerpunkt auf die „Helden der Meere“, die sich gegen die Missstände einsetzen, indem sie zum Beispiel Strände säubern und Müll einsammeln. Auf der Plattform gibt es auch Podcasts, in denen Wissenschaftler über spezielle Erlebnisse erzählen. Mit der Überquerung des Atlantiks Ende 2019 bis Anfang 2020 wollten die drei Männer auf die globale Bedeutung ihrer Vorhaben hinweisen.
Vorbereitungen für die schwierige Reise auf dem Starnberger See
Bei seiner Multimediashow im Tutzinger Südbad zeigte Hovest, wie sich die drei Ruderer auf dem Gelände des Deutschen Touring Yacht-Clubs (DTYC) gleich nebenan auf die schwierige Reise vorbereitet hatten. Anderthalb Jahre lang trainierten sie dafür. Auf dem See vor der Haustür übten sie das Rudern zu dritt im zehn Meter langen Spezialboot, das von einem DTYC-Kran einmal sogar umgekippt wurde, weil man sehen wollte, wie es auf schwere Wellenbrecher reagiert. Nachdem Hovest, Stollreiter und Ballwanz 2019 endlich auf Gran Canaria mit Ziel Barbados gestartet waren, lagen 50 Tage des Ruderns vor ihnen, um die 5000 Kilometer weite Strecke zu bewältigen. An den Ruderblättern waren sie jeweils zu zweit, der dritte Mann durfte für drei Stunden schlafen. Dann musste er auch wieder auf den Rudersitz. So hatte jeder der Drei viele Stunden zu rudern, Tag und Nacht. Bald hatten sie Schwielen und blutige Stellen an den Händen. Um die Reibung am Hintern beim Rudern abzumildern, hatten sie sich Schaffelle in die Unterhose gesteckt. Oft musste das Trio das zehn Meter lange Boot durch fünf bis sechs Meter hohe Wellen steuern, was gewaltige Kraftanstrengung bedeutete. „Bei höheren Wellen ging gar nichts mehr“, sagte Hovest. „Da mussten wir den Sturmanker rauswerfen.“ Bei ruhiger See sind sie sogar ausgestiegen und geschwommen oder haben tauchend Muscheln vom Bootsrumpf entfernt, die das Gleiten behindert hätten.
Fliegende Fische kamen in der Nacht
Abwechslung beim eintönigen Rudern hatte die Mannschaft, als plötzlich Delphine auftauchten, einmal kamen sogar Wale in ihre Nähe. Als Beobachter denkt man ja, dass so eine „Nussschale“ von Boot in der Nacht unbedingt beleuchtet sein müsste wegen anderer Schiffe. Aber eine Positionslampe hängten die drei Männer gerade nicht auf, weil sonst viele Fliegende Fische gekommen wären. Diese würden die Lampe für den Mond halten und durch ihn angezogen werden. Das Licht war schnell gelöscht, weil ihnen die Fliegenden Fische buchstäblich um die Ohren geflogen sind. Als sie nur noch 1000 Kilometer von der Karibikinsel Barbados entfernt waren, wurden sie „total euphorisch“, berichtete Hovest, weil man das Land schon riechen konnte, ohne etwas zu sehen. Der Duft von Essen, fügte er hinzu, wehe schon weit aufs Meer hinaus.
50 Tage hin, neun Stunden zurück
Als York Hovest, Andreas Stollreiter und Rainer Ballwanz nach 50 Tagen und 5000 Kilometern – rudernd – endlich auf Barbados ankamen, wurden sie von vielen Zuschauern triumphal begrüßt und auch ihre Frauen und Kinder waren eingetroffen, um sie in ihre Arme zu schließen. Das Ende der Reise sei total skurril gewesen, meinte Hovest: „50 Tage haben wir für die Reise gebraucht, und in neun Stunden sind wir mit dem Flugzeug zurückgeflogen.“ Als sie 2020 wieder in Deutschland waren, wollten sie eigentlich medial, im Fernsehen und in der Presse über ihr Abenteuer berichten. Aber da hatte gerade die Corona-Pandemie angefangen. Und dadurch kamen sie nicht recht zum Zuge. Aber längst ist ein spannender Dokumentarfilm daraus entstanden, bei dem man sich über www.heroesofthesea.com noch viel genauer informieren kann.
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Verhaltensänderungen, die letztlich der eigenen Rettung dienen, gelten als Zumutung, und es findet sich kaum jemand, der bereit wäre, sie einzufordern. Existenzielle Krisen wie die Klimakrise, die Artenkrise und andere Teilbereiche der Polykrise werden im politischen Alltagsgeschäft ausgeblendet – man macht weiter wie bisher, als gäbe es kein Morgen.
Aufmerksamkeit erhält hingegen, wer aus dem Drama ein Incentive formt – so wie „Heroes of the Sea“: eine Aktion, die für ihren großen Auftritt Einwegplastikmüll erzeugt, sich gut gelaunt selbst feiert und einen hochtechnisierten Heldenmythos kreiert. Am Ende bleibt die Erzählung, jede Krise lasse sich in ein Abenteuer verwandeln, solange man nur energiegeladen und medientauglich auftritt. Und es bleibt der unausgesprochene Subtext im Raum stehen, dass unsere Lebensweise nicht wirklich zur Disposition steht.
Was es stattdessen bräuchte, ist eine messbare Reduktion des Plastikmülls an der Quelle, verbindliche Regeln (Produzentenverantwortung, Pfand- und Reuse-Systeme, Exportstopps für Plastikmüll), kluge Modelle der kommunalen Abfallwirtschaft und gezielte Reinigung dort, wo sie ökologisch sinnvoll ist. Weniger Show, mehr Struktur. Nur dann mündet Aufmerksamkeit in messbaren Fortschritt.