Von Gymnasium Tutzing

"Die Deutsche Karikatur war schon immer etwas harmloser"

Karikaturist Klaus Stuttmann im Gespräch mit Schüler*innen des Gymnasiums Tutzing

Mit rund 15.000 veröffentlichten Karikaturen gehört Klaus Stuttmann seit vielen Jahren zu den produktivsten politischen Zeichnern Deutschlands. Entsprechend spannend waren die beruflichen Einblicke, die der in Berlin lebende Karikaturist Schüler*innen des W-Seminars „Karikaturen als bildliche Form der Satire“ am Gymnasium Tutzing gab. Nachdem Stuttmann 2019 schon einmal an die Schule gekommen war, musste das einstündige Gespräch aufgrund der pandemischen Lage dieses Mal als Videokonferenz stattfinden.

Was darf Satire?

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Aufgrund der Pandemie fand das Gespräch mit Stuttmann als Videokonferenz statt.

Was darf Satire und wo sind deren Grenzen? Ein Teil des Gesprächs bezog sich auf diese Frage, die zugleich thematischer Aufhänger für das W-Seminar ist, in dem sich die Schüler*innen im Rahmen von Geschichte und Sozialkunde mit dem Medium Karikatur auseinandersetzen.

Grundsätzlich könne alles Gegenstand von Karikaturen werden, sagte Stuttmann, sofern das Thema und die Kritik relevant seien. Ein Tabu stelle für ihn aber die Verspottung von Opfern oder die Darstellung von Gewalt dar. Eher schwierig seien seine Erfahrungen mit der Kritik an Religionen. Diese provoziere häufiger Unmut als andere Themen, auch wenn man über die Humor- und Kritikfähigkeit von gesellschaftlichen Gruppen nicht pauschal urteilen könne, wie Stuttmann betont. Dabei sei die „deutsche Karikatur schon immer etwas harmloser“, merkte der Karikaturist an.

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"Ich bin eher der Nachtarbeiter"

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Eine Stunde nahm sich der in Berlin lebende Zeichner für die Fragen der Schüler*innen Zeit.

Weitere Fragen der Schüler*innen zielten auf den Arbeitsalltag und auf das Zeichnen als kreativen Prozess ab. Da eine Karikatur durch Originalität überzeuge, gehöre Kreativität zu seinem Beruf, so Stuttmann. Zudem sei die Ideenfindung etwas, was er nicht planen könne, auch wenn es gewisse handwerkliche Tricks gebe – beispielsweise die Verknüpfung von zwei aktuellen Themen, um einen Witz oder komischen Effekt zu erzeugen. Letztlich sei es ein Zusammenspiel von Vorwissen, Erfahrung und spontanen Einfällen, die nachts vor dem Einschlafen kommen könnten oder eben erst morgens unter der Dusche – so zum Beispiel am Tag des Gesprächs, wie Stuttmann schmunzelnd erwähnte.

Die Anfertigung der Karikatur per Tablet und digitalem Zeichenprogramm dauere je nach Aufwand des Motivs im Schnitt etwa zwei Stunden. In Form eines Videomitschnitts zeigte Stuttmann dem Seminar im Zeitraffer den Entstehungsprozess einer Zeichnung vom ersten Strich bis zur finalen Kolorierung. Da er für den Tagesspiegel jeden Tag eine Karikatur abliefern muss, sei durchaus ein gewisser Druck gegeben, den er aber zugleich als Reiz an seiner beruflichen Tätigkeit empfinde.

Vom Hobby zur Profession

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Klaus Stuttmann zeichnet unter anderem für den Tagesspiegel.

Des Weiteren ging Stuttmann darauf ein, welche Auswirkungen der Medienwandel auf die Karikatur und auf seinen Beruf hat. Im Zuge der Beschleunigung des Medienbetriebs durch die Digitalisierung und der fortschreitenden Monopolisierung der Zeitungslandschaft erodiere die privilegierte Stellung, die die politische Karikatur als gezeichneter, stets aktueller Meinungsbeitrag lange Zeit in der gedruckten Tagespresse einnahm. Deshalb werde vermutlich auch der Beruf des Karikaturisten verschwinden oder zumindest vom Überleben der Zeitung abhängen, so Stuttmann. Während sich früher jede größere Tageszeitung einen oder mehrere fest angestellte Karikaturisten leistete, könnten in Deutschland derzeit nur noch etwa 20 Karikaturisten hauptberuflich vom Zeichnen leben – diese bezeichnet Stuttmann als „große Familie“, in der man sich kennt und regelmäßig austauscht. Für viele sei das Zeichnen eher durch Zufall zur Profession geworden. Er selbst studierte Kunstgeschichte und fertigte als junger Mensch in seiner Freizeit politische Zeichnungen für Flugblätter an, bevor er mit Karikaturen sein erstes Einkommen verdiente. Ans Aufhören denke er noch nicht, solange er noch täglich eine Idee für eine Karikatur habe, die ihn zufriedenstellt.

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