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Tutzinger Auszeichnung für Dunja Hayali

Fernsehmoderatorin hat am Samstag von der Evangelischen Akademie den „Toleranzpreis“ erhalten

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Plakative Hinweise: Ein Buch von Dunja Hayali lag in der Akademie aus

Udo Hahn scheint es kaum fassen zu können. „Was in der realen Welt geschieht und was sich an Asozialem in den Social Media abspielt, darf nicht ignoriert, nicht kleingeredet, nicht verharmlost werden“, rief der Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing am Samstag aus. Anlass war die Verleihung des „Toleranzpreises“ an die Fernsehmoderatorin Dunja Hayali. Hahn zählte auf: „Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhass, Hetze, Hatespeech – Hassrede, Ausgrenzung.“ Sie sind für ihn „das Gift, das sich in unserer Gesellschaft gegenwärtig ausbreitet". Und Dunja Hayali sei „eine, die beherzt dazwischengeht und sich nicht den Mund verbieten lässt“.

Dafür allerdings wird die von irakischen Christen abstammende Fernsehjournalistin immer wieder kräftig angefeindet. In ihrem Twitter-Account hat sie eine Menge Glückwünsche zur Verleihung des Toleranzpreises erhalten, aber auch recht feindselige Bemerkungen - und die arbeiten mehr in ihrem Kopf als die freundlichen, gestand sie. Viele der Kommentare, die sie erhält, beantwortet sie, und da schreibt sie gelegentlich recht deutlich, wirft das alles dann aber wieder weg, wie sie erzählte.

"Medien als vierte Gewalt nötig"

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Preisträgerin, Laudatorin und Akademie-Vertreter: (v.li.) Judith Stumptner, Dunja Hayali, Shermin Langhoff und Udo Hahn

Shermin Langhoff, die Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin, hielt die Laudatio bei der Preisverleihung. Sie äußerte sich beeindruckt darüber, wie sich Dunja Hayali in Zeiten zunehmender Anfeindungen gegenüber Journalisten einmische, „auf der Straße in Chemnitz, nach dem Fanal von Halle“. In der Verfolgung von rechtsextremen Handlungen und Netzwerken seien neben staatlichem Engagement auch mutige, engagierte Journalisten wie Dunja Hayali und Medien als „vierte Gewalt“ nötig, bekräftigte sie.

Dunja Hayali selbst bezeichnete ihr Engagement als „eigentlich selbstverständlich und nicht auszeichnungswürdig“. Jeder könne etwas tun. „Ich glaube wirklich, dass es im Kleinen anfängt“, sagte sie: „Ein Dank, eine Bitte, eine Entschuldigung, Respekt gegenüber Menschen.“ Viele Menschen in Deutschland engagierten sich ehrenamtlich und hätten so eine Auszeichnung mehr verdient als sie: „Aber sie stehen nicht im Rampenlicht.“ Man sollte „das Licht auf die anderen richten“, fügte sie hinzu: „Ich teile diesen Preis imaginär mit all diesen Menschen.“ Es gehe um die Würde des Menschen, wie sie im Artikel 1 des Grundgesetzes steht - „und zwar um die Würde nicht nur der Deutschen“.

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"Intoleranz verdient keine Toleranz"

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"Aus Gedanken werden schnell Taten", warnt Dunja Hayali

Entsetzt zeigten sie und mehrere Redner sich über zunehmende Aggressivität, aber auch über die - vielfach ausbleibenden - Reaktionen darauf. „Was ist mit uns los, wenn wir akzeptieren, dass Menschen öffentlich Morddrohungen erhalten?“ fragte Dunja Hayali. Aus Gedanken würden schnell Taten, wie das traurige Beispiel des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zeige.

Akademiedirektor Hahn sieht mit großen Bedenken Begriffe aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“ wie „Volksverräter“ oder „volksfremde Eindringlinge“ wieder salonfähig werden. Die Laudatorin Langhoff fügte den von Matteo Salvini in seiner Zeit als italienischer Innenminister gewählten Begriff „Menschenfleisch“ für die überlebenden Flüchtlinge im Mittelmeer hinzu. Bei solchen „Grenzüberschreitungen“ ist Toleranz für Hahn fehl am Platz: „Oft wird Toleranz ja so verstanden, dass jeder machen kann, was er will.“ Das genau sei aber mit Toleranz nicht gemeint: „Vielmehr ist Toleranz geprägt vom aktiven Interesse am Anderen, an dem, was mir fremd ist.“ „Intoleranz verdient keine Toleranz“, bekräftigte der Akademiedirektor, „Intoleranz muss bekämpft werden.“

"Aufstehen, gegenreden, Haltung zeigen!"

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Martin Held hatte eigens Bücher passend zur Tagung besorgt

Wie ein Aufruf wirkte das Thema, unter das die Akademie die Preisverleihung gestellt hatte: „Aufstehen, gegenreden, Haltung zeigen!“ Dunja Hayali sagte: „Das ist mein Land - ich will nichts anderes als Zivilcourage zeigen.“ Sie erwarte, dass ihr Gegenüber ihr zuhöre und auch Widerspruch zulasse. Über die Bandbreite in der deutschen Gesellschaft sei sie froh: „Ich möchte nicht in einem Land mit nur einer oder zwei Parteien leben.“ Sie mahnte: „Wir müssen aufpassen, dass uns der Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht abhandenkommt.“ Für diese Worte erhielt sie stehende Ovationen.

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Auch dieses Buch lag während der Tagung aus © Fotos: L.G.

Die Preisverleihung an Dunja Hayali fand im Rahmen einer Tagung über „Das Erzählen der Welt“ statt. Zu den Teilnehmern gehörten bekannte Künstler und Autoren wie Quint Buchholz, Christiane Hütter, Kathrin Röggla und Tanasgol Sabbagh. Martin Held von der Tutzinger Buchhandlung Held hatte eigens passende Bücher zum Thema besorgt, die auf viel Interesse stießen. Bei den spannenden Referaten und Diskussionen der Tagung ging es um verschiedene Erzählformen in der Literatur, im Film, im Theater, in der Kunst und in der Spielewelt. Doch ebenso einbezogen wurden "Narrative der Katastrophe", die Angst schüren. "Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur und unterhöhlen das Vertrauen in bisherige Ordnungen", so die stellvertretende Akademiedirektorin Judith Stumptner. Ausgrenzung und Alarmstimmung seien die Folgen.

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