Er wird immer mehr zum Marienplatz. Dabei ist er noch gar kein richtiger Platz. Er soll erst noch einer werden, quasi als Nebeneffekt der Tutzinger Straßensanierung. Priorität hat vorerst noch deren Fertigstellung, damit die Durchfahrt durch die Ortsmitte wieder problemlos möglich ist. Aber dann soll es auch mit der Erneuerung des Tutzinger Zentrums vorangehen, mit der Verbesserung der in die Hauptstraße einmündenden Nebenstraßen und besonders mit dem Platz, der bisher noch nicht so recht einer sein wollte.
Vielleicht aus diesem Grund ist er auch bisher nicht offiziell als solcher bezeichnet oder gar, wie es im Amtsdeutsch heißt, „gewidmet“ worden. Es ist aber gar nicht so leicht, auf dem Weg zum geeigneten Platznamen den Tutzinger Durchblick zu haben.
Als so etwas Ähnliches wie einen Platz in der Ortsmitte haben Einheimische diese Fläche schon lange betrachtet. Weil sie keinen offiziellen Namen hatte, nannten sie ihn „Stachus“, nach dem Münchner Vorbild, bei dem der festgelegte Name Karlsplatz sogar mehr oder weniger ignoriert wird. Da geht’s ja zu wie auf dem Stachus, kommentierten sie, wenn wieder mal viel los war, gerade damals, als es an dieser Stelle in der Hauptstraße noch das beliebte Geschäft Kohlen-Müller und daneben den Supermarkt Tengelmann, später Edeka, gab.
Für die ISEK-Macher gibt es weder "Stachus" noch "Marienplatz", sondern den "Vetterlhausplatz"
Den Tutzinger Stachus ignorieren nun wiederum andere. Die Investoren, die zurzeit auf dem ehemaligen Grundstück von Kohlen-Müller eine große Wohnanlage errichten, haben auf ihre Plakate schon seit längerer Zeit unübersehbar „Marienplatz“ geschrieben. Da hat sich nun auch der Backbetrieb gegenüber eingeklinkt: Über seiner Ladentür steht neuerdings in großen Lettern „Café Marienplatz“.
Das alles ignorieren die Bearbeiter des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts ISEK, das die Grundzüge des künftigen Tutzing vorgeben soll: Für die ist der Platz, der im Begriff ist, ein solcher zu werden, weder der Stachus noch der Marienplatz. Sondern der „Vetterlhausplatz“.
Das ist echt neu. Die meisten, die sich in Tutzing gut auskennen, reagieren ziemlich verblüfft, wenn man sie auf diesen Begriff anspricht: Den Namen Vetterlhausplatz scheint wirklich niemand zu kennen außer den ISEK-Leuten. Aber die bleiben standhaft dabei. In ihrem umfangreichen Entwurf, der in dieser Woche noch öffentlich im Rathaus ausliegt, steht es klipp und klar, als sei es längst entschieden: Vetterlhausplatz.
Die Gemeinde hält sich vorerst raus
So abwegig ist das auch gar nicht. Das dort befindliche Vetterlhaus, ein einstiges Hirtenhaus, in dem schon mal zwei Lokale waren und in dem heute engagierte Einheimische ehrenamtlich die Gästeinformation des Tutzinger Fördervereins für Tourismus organisieren, ist schließlich das älteste Gebäude von Tutzing.
Aber die Verfechter des „Marienplatzes“ schreiben ihren Namensfavoriten umso größer auf ihre Plakate und Geschäfte. Viele andere würden jedoch lieber am „Stachus“ festhalten. Da bahnt sich ein spannendes Ringen um die geeignete Benennung der Tutzinger Mitte an.
Ein Machtwort sprechen könnte die Gemeinde, wenn sie sich zu einer Bezeichnung per Widmung entschlösse. Aber sie hält sich vorerst raus. Vielleicht haben die kommunalen Verantwortlichen das nicht ganz gelungene Beispiel des Münchner Karlsplatzes vor Augen. Der hieß früher „Neuhauser-Tor-Platz“, dann „Karlsplatz“ nach dem Pfälzer Kurfürsten Karl Theodor. Aber den mochten viele Münchner nicht so recht, weshalb sie lieber beim Stachus blieben, zumal ihnen der traditionelle Name wegen einer gleichnamigen Gastwirtschaft ans Herz gewachsen war, die dort früher mal war.
Essen und Trinken hält halt Leib und Seele zusammen. Da gäbe es an diesem in Entstehung befindlichen Tutzinger Platz etliche Bezugspunkte: eine nette kleine Pizzeria und ein charmantes Tapas-Lokal, die es früher im Vetterlhaus gab, das Mille Lire gegenüber und die einstigen Bäckerei-Betreiber wie Ruppelt oder Strauß. Deren Nachfolger waren am schnellsten: Mit ihrem „Café Marienplatz“ haben sie schon mal Tatsachen geschaffen.
Noch mehr Tutzinger Durchblick
Als es noch Bacaro und Bauerngirgl gab
„Stüberl“ in der Prüfung
Ortszentrum Tutzing bis Ende 2023 fertig?
Falscher Hinweis: „Ortsdurchfahrt Tutzing gesperrt“
Baurecht auf bisher freien Flächen?
Unvollständige Informationen
Welthit mit Tutzinger Zutaten
Tutzinger Weiterentwicklung
In Tutzing regiert die Ampel
Bitte kein weiterer Dauer-Leerstand
Sticheleien per Parkbank
Frames, Narrative, planetary health
Rechts = links, links = rechts
Die Weißbier-Meditationswiese
Kommentar hinzufügen
Kommentare
Bzgl. "Stachus" bin ich mir nie sicher, ob das ernst oder als augenzwinkernde Satire zu verstehen ist?
Der originale Stachus in München hat immerhin eine reale & lokale Vorgeschichte, ehe er so weltbekannt wurde.
Mittlerweile erwarten die meisten Menschen bei einem "Stachus" dann doch etwas anderes, als wir in Tutzing jemals haben werden und auch von der Größe her haben wollen.
P.S. bin quasi Neubürger und lebe erst seit 37 Jahren hier, aber unbandig gern !
Toni Schott
Er weiß, dass „früher“ alles besser war, und genießt das Recht, Bierpreise und Gemeinderat zu kritisieren.Dem gemeinen Zuagroasten gegenüber ist er kritisch eingestellt, aber auch so gutmütig, dass er ihm manchmal sogar die Freundschaft anbietet. Nur mit den Gschaftlhubern wird er halt nie so wirklich warm.
Weitere Privilegien? Die braucht’s nicht, Ur-Tutzinger sein ist Privileg genug.
-> Was kennzeichnet bitte den Ureinwohner als solchen? Was macht den Tutzinger zum Ur-Tutzinger? Hausgeburt in Tutzing? Tutzinger Stammbaum über mind. 5 Generationen? Spezielle Rituale? Etwas anderes?
-> Sind mit dem Ureinwohner-Status auch besondere Rechte & Privilegien verbunden? Oder auch Pflichten?
-> Kann man den Ureinwohner-Status wieder verlieren? Vielleicht durch Heirat in fremde Gemeinden? Oder durch zu lange Aufenthalte außerhalb der Gemeindegrenzen?
-> Jeder kann sein Geschäft oder Lokal so nennen wie er will, sofern dabei keine geschützten Namensrechte verletzt werden. Einen echten Zusammenhang kann es geben, oder auch nicht.
-> Auch in der Immobilienbranche sind frei erfundene, aber wohlklingende Kunstnamen Teil des Marketings.
-> Ebenso mögen unter uns Tutzingern je nach Umfeld abweichende Bezeichnungen für den gleichen Platz geläufig sein; insbesondere da es noch keinen offiziellen Namen gibt.
Über all' dem stehen die ECHTEN, OFFIZIELLEN NAMEN der jeweiligen Örtlichkeit, die nur dann von Investoren mitbestimmt werden dürfen, sofern sie für diese Namensrechte auch entsprechend bezahlen !
-> Wenn es Interessenten gibt und der Preis oder die jährliche Gebühr stimmt, sollte sich Tutzing dafür vielleicht offen zeigen? - Unseren Finanzen tun zusätzliche Einnahmen gut.
-> Ansonsten ist es Sache unseres demokratisch gewählten Gemeinderates unseren Plätzen & Straßen offizielle Namen zu geben.
-> Dafür kann man gern zuvor die Bürgerschaft einbeziehen; mit einem allgemeinen Namenswettbewerb und anschließender Wahl.