Satire
22.8.2025
Von Lorenz Goslich

Stachus, Marienplatz, Vetterlhausplatz

Die einen propagieren Ideen für die Benennung der künftigen Tutzinger Mitte, die anderen ignorieren sie

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Er wird immer mehr zum Marienplatz. Dabei ist er noch gar kein richtiger Platz. Er soll erst noch einer werden, quasi als Nebeneffekt der Tutzinger Straßensanierung. Priorität hat vorerst noch deren Fertigstellung, damit die Durchfahrt durch die Ortsmitte wieder problemlos möglich ist. Aber dann soll es auch mit der Erneuerung des Tutzinger Zentrums vorangehen, mit der Verbesserung der in die Hauptstraße einmündenden Nebenstraßen und besonders mit dem Platz, der bisher noch nicht so recht einer sein wollte.

Vielleicht aus diesem Grund ist er auch bisher nicht offiziell als solcher bezeichnet oder gar, wie es im Amtsdeutsch heißt, „gewidmet“ worden. Es ist aber gar nicht so leicht, auf dem Weg zum geeigneten Platznamen den Tutzinger Durchblick zu haben.

Als so etwas Ähnliches wie einen Platz in der Ortsmitte haben Einheimische diese Fläche schon lange betrachtet. Weil sie keinen offiziellen Namen hatte, nannten sie ihn „Stachus“, nach dem Münchner Vorbild, bei dem der festgelegte Name Karlsplatz sogar mehr oder weniger ignoriert wird. Da geht’s ja zu wie auf dem Stachus, kommentierten sie, wenn wieder mal viel los war, gerade damals, als es an dieser Stelle in der Hauptstraße noch das beliebte Geschäft Kohlen-Müller und daneben den Supermarkt Tengelmann, später Edeka, gab.

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Plädoyers für den "Stachus" auf vorOrt.news (links), plakativer "Marienplatz" (rechts) © Von der Einmündung zum Marienplatz
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Für die ISEK-Macher gibt es weder "Stachus" noch "Marienplatz", sondern den "Vetterlhausplatz"

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"Ein zentraler Treffpunkt ist der Vetterlhausplatz", schreiben die ISEK-Macher in ihrem Entwurf. Die meisten Einheimischen haben diesen Namen noch nie gehört, und er steht auch nirgends - außer im ISEK-Konzept (zum Vergrößern bitte anklicken)

Den Tutzinger Stachus ignorieren nun wiederum andere. Die Investoren, die zurzeit auf dem ehemaligen Grundstück von Kohlen-Müller eine große Wohnanlage errichten, haben auf ihre Plakate schon seit längerer Zeit unübersehbar „Marienplatz“ geschrieben. Da hat sich nun auch der Backbetrieb gegenüber eingeklinkt: Über seiner Ladentür steht neuerdings in großen Lettern „Café Marienplatz“.

Das alles ignorieren die Bearbeiter des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts ISEK, das die Grundzüge des künftigen Tutzing vorgeben soll: Für die ist der Platz, der im Begriff ist, ein solcher zu werden, weder der Stachus noch der Marienplatz. Sondern der „Vetterlhausplatz“.

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Das Vetterlhaus, Tutzings ältestes Gebäude, steht beispielhaft für die Historie des Fischerdorfs. Nach Auffassung der ISEK-Macher steht es auch für den Platz. © L.G.

Das ist echt neu. Die meisten, die sich in Tutzing gut auskennen, reagieren ziemlich verblüfft, wenn man sie auf diesen Begriff anspricht: Den Namen Vetterlhausplatz scheint wirklich niemand zu kennen außer den ISEK-Leuten. Aber die bleiben standhaft dabei. In ihrem umfangreichen Entwurf, der in dieser Woche noch öffentlich im Rathaus ausliegt, steht es klipp und klar, als sei es längst entschieden: Vetterlhausplatz.

Die Gemeinde hält sich vorerst raus

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Der Platz, der mal einer werden soll, hat zurzeit Baustellencharakter © L.G.

So abwegig ist das auch gar nicht. Das dort befindliche Vetterlhaus, ein einstiges Hirtenhaus, in dem schon mal zwei Lokale waren und in dem heute engagierte Einheimische ehrenamtlich die Gästeinformation des Tutzinger Fördervereins für Tourismus organisieren, ist schließlich das älteste Gebäude von Tutzing.

Aber die Verfechter des „Marienplatzes“ schreiben ihren Namensfavoriten umso größer auf ihre Plakate und Geschäfte. Viele andere würden jedoch lieber am „Stachus“ festhalten. Da bahnt sich ein spannendes Ringen um die geeignete Benennung der Tutzinger Mitte an.

Ein Machtwort sprechen könnte die Gemeinde, wenn sie sich zu einer Bezeichnung per Widmung entschlösse. Aber sie hält sich vorerst raus. Vielleicht haben die kommunalen Verantwortlichen das nicht ganz gelungene Beispiel des Münchner Karlsplatzes vor Augen. Der hieß früher „Neuhauser-Tor-Platz“, dann „Karlsplatz“ nach dem Pfälzer Kurfürsten Karl Theodor. Aber den mochten viele Münchner nicht so recht, weshalb sie lieber beim Stachus blieben, zumal ihnen der traditionelle Name wegen einer gleichnamigen Gastwirtschaft ans Herz gewachsen war, die dort früher mal war.

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Als Kohlen-Müller und Edeka noch in Tutzings Ortsmitte waren (links): Rechts (von unten nach oben) Vetterlhaus, das Café und Mille Lire aus der Vogelperspektive © BG

Essen und Trinken hält halt Leib und Seele zusammen. Da gäbe es an diesem in Entstehung befindlichen Tutzinger Platz etliche Bezugspunkte: eine nette kleine Pizzeria und ein charmantes Tapas-Lokal, die es früher im Vetterlhaus gab, das Mille Lire gegenüber und die einstigen Bäckerei-Betreiber wie Ruppelt oder Strauß. Deren Nachfolger waren am schnellsten: Mit ihrem „Café Marienplatz“ haben sie schon mal Tatsachen geschaffen.

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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Marienplatz? Echt jetzt? Wo ist die Eigenständigkeit – die Eigenidentität? "Vetterlhausplatz" wäre eine stimmige und passende Bezeichnung. Meine weiteren Einfälle: "Tutzinger Platz", "Am Platzl", "Am Seeplatz", "Fischerplatz" und "Bürgerplatz" (wenn gewollt ist, hier echt einen Treffpunkt/ Aufenthaltsraum zu schaffen).
Also sehen kann man die Marienstatue vom evtl. Marienplatz aus nicht. Das wird auch bei einer zukünftigen Bebauung des ehemaligen Seehofareals so bleiben. Wenn einem dieser Bezug wichtig ist, sollte man eher den öffentlichen Raum bei Dampfer- & Biersteg entsprechend benennen.

Bzgl. "Stachus" bin ich mir nie sicher, ob das ernst oder als augenzwinkernde Satire zu verstehen ist?
Der originale Stachus in München hat immerhin eine reale & lokale Vorgeschichte, ehe er so weltbekannt wurde.
Mittlerweile erwarten die meisten Menschen bei einem "Stachus" dann doch etwas anderes, als wir in Tutzing jemals haben werden und auch von der Größe her haben wollen.
(Bearbeitet)
Sehr geehrte Kommentatoren und - innen , herzlichen Dank für für Ihre Beiträge! Im Artikel von Herrn Dr. Goslich fällt auf , dass sich die Gemeindeverwaltung bei der aktuellen Situation heraushält - eine Haltung, die seit längerem auffällt und auf Anfragen bei Begehungen nur vage Aussagen über einen Baufortschritt am Ausbau des platzähnlichen Charakters am Vetterlhaus zulässt. Ich schlage deshalb vor, die Diskussion über eine Namensgebung eines fiktiven Platzes zu vertagen , bis und ob dort je eine Bautätigkeit erkennbar ist. Das gleiche gilt für die Arbeiten zum Anschluss der Nebenstraßen an die so gerühmte Hauptstraße ! - allein , mir fehlt der Glaube!
P.S. bin quasi Neubürger und lebe erst seit 37 Jahren hier, aber unbandig gern !
Toni Schott
Vetterlhausplatz klingt doch gut!
Gerne, fragen sie ruhig! Ich freue mich, wenn ich sogar ihnen noch was lernen kann!
Der Ur-Tutzinger, selten, fast vom Aussterben bedroht.

Er weiß, dass „früher“ alles besser war, und genießt das Recht, Bierpreise und Gemeinderat zu kritisieren.Dem gemeinen Zuagroasten gegenüber ist er kritisch eingestellt, aber auch so gutmütig, dass er ihm manchmal sogar die Freundschaft anbietet. Nur mit den Gschaftlhubern wird er halt nie so wirklich warm.

Weitere Privilegien? Die braucht’s nicht, Ur-Tutzinger sein ist Privileg genug.
…ich denke - ohne es groß ausarten zu lassen, es gibt einige, die schon sehr lange - 50, 60 und noch mehr Jahre hier leben - den Ort von früher eben noch kennen - und es gibt einige, die noch nicht so lange hier leben, den Ort eben nur so kennen, wie er sich die letzten Jahre eben entwickelt hat….denke das sollte reichen, als Anmerkung - bevor wir hier in falsche Themen evtl kommen…
Höfliche Bitte um Aufklärung:
-> Was kennzeichnet bitte den Ureinwohner als solchen? Was macht den Tutzinger zum Ur-Tutzinger? Hausgeburt in Tutzing? Tutzinger Stammbaum über mind. 5 Generationen? Spezielle Rituale? Etwas anderes?
-> Sind mit dem Ureinwohner-Status auch besondere Rechte & Privilegien verbunden? Oder auch Pflichten?
-> Kann man den Ureinwohner-Status wieder verlieren? Vielleicht durch Heirat in fremde Gemeinden? Oder durch zu lange Aufenthalte außerhalb der Gemeindegrenzen?
…so schaugt‘s aus - Moni…
Für mich als " Ureinwohnerin" bleibt das der Stachus.
Ich denke, da sollte man Äpfel & Birnen auseinander halten:
-> Jeder kann sein Geschäft oder Lokal so nennen wie er will, sofern dabei keine geschützten Namensrechte verletzt werden. Einen echten Zusammenhang kann es geben, oder auch nicht.
-> Auch in der Immobilienbranche sind frei erfundene, aber wohlklingende Kunstnamen Teil des Marketings.
-> Ebenso mögen unter uns Tutzingern je nach Umfeld abweichende Bezeichnungen für den gleichen Platz geläufig sein; insbesondere da es noch keinen offiziellen Namen gibt.

Über all' dem stehen die ECHTEN, OFFIZIELLEN NAMEN der jeweiligen Örtlichkeit, die nur dann von Investoren mitbestimmt werden dürfen, sofern sie für diese Namensrechte auch entsprechend bezahlen !
-> Wenn es Interessenten gibt und der Preis oder die jährliche Gebühr stimmt, sollte sich Tutzing dafür vielleicht offen zeigen? - Unseren Finanzen tun zusätzliche Einnahmen gut.
-> Ansonsten ist es Sache unseres demokratisch gewählten Gemeinderates unseren Plätzen & Straßen offizielle Namen zu geben.
-> Dafür kann man gern zuvor die Bürgerschaft einbeziehen; mit einem allgemeinen Namenswettbewerb und anschließender Wahl.
(Bearbeitet)
…hab i doch damals a schon geschrieben …aber „es war halt einmal“….wie halt vieles andere leider auch …
Das war schon immer bei den "alten" Tutzingern der Stachus.