
Eine kontroverse Debatte zum Landschaftsschutz hat am Dienstag ein Antrag der Grünen im Tutzinger Gemeinderat ausgelöst. Nach ihrem Wunsch soll die Gemeinde für die Aufnahme in den Landschaftsschutz geeignete Grundstücke ausweisen. Da in Tutzing schon weite Flächen unter Landschaftsschutz stehen, sahen dies etliche Gemeinderatsmitglieder kritisch. Ein salomonisch formulierter Beschlussvorschlag wurde schließlich bei einer Gegenstimme angenommen: Die Verwaltung soll eine Liste mit geeigneten Grundstücken erstellen - solchen Grundstücken, die im Bedarfsfall ins Landschaftsschutzgebiet aufgenommen werden können, um andere Flächen zu kompensieren, die aus diesem herausgenommen werden. Es wurde aber kein konkreter Beschluss zu einem oder mehreren bestimmten Grundstücken gefasst.
Im Gebiet von Tutzing gibt es nach Angaben der Gemeinde nur noch sehr wenige Flächen, die nicht im Landschaftsschutzgebiet liegen. Bauamtleiter Christian Wolfert zeigte anhand von Plänen fürs Ortszentrum und für mehrere Ortsteile, dass kaum für eine Aufnahme in den Landschaftsschutz geeignete Flächen zur Verfügung stehen. Dabei gab er auch zu bedenken, dass, soweit überhaupt solche Flächen in Frage kommen, fast in allen Fällen die Gemeinde zumindest nicht deren Alleineigentümer sei, sondern auch Privatleute dabei seien, die man deshalb mit ins Boot holen müsse: „Man müsste also Flächen kaufen oder mit den Privaten Verträge machen.“
Dass es in Tutzing so viel Landschaftsschutzgebiet gibt, wird immer wieder als Hindernis für neue Entwicklungsprojekte genannt. Eine Herausnahme aus dem Landschaftsschutzgebiet gilt zwar generell als möglich. Darüber muss der Starnberger Kreistag oder Kreisausschuss entscheiden. Doch so etwas wird sehr restriktiv gehandhabt. Ein erster Fall steht in Tutzing aktuell an: Bei Erweiterungsplänen des Unternehmens W.A.F. im Ortsteil Kampberg befindet sich das dafür vorgesehene Grundstück an der Blumenstraße im Landschaftsschutzgebiet und im planungsrechtlichen Außenbereich. Bisher ist die betreffende Fläche, auf der drei Neubauten mit rund 4000 Quadratmetern Nutzfläche entstehen sollen, im Flächennutzungsplan für landwirtschaftliche Nutzung vorgesehen. Für eine Herausnahme aus dem Landschaftsschutzgebiet hat der Tutzinger Gemeinderat im Juni dieses Jahres eine positive Haltung signalisiert. Tutzing unterstützt Erweiterungspläne von W.A.F.
Pfitzner: In Zeiten des Klimawandels darf der Landschaftsschutz nicht reduziert werden
Das Landschaftsschutzgebiet schrumpfe immer weiter, sagte Bernd Pfitzner von den Grünen. In Zeiten des Klimawandels sei es schlecht, den Landschaftsschutz zu reduzieren. Deshalb wäre es hilfreich, argumentierte er, im Fall einer Herausnahme aus dem Landschaftsschutz wegen Bauvorhaben Flächen verfügbar zu haben, mit denen man dies ausgleichen könne, um den Landschaftsschutz insgesamt nicht zu verkleinern.
Krug stimmt "aus vollstem Herzen" zu
Unterstützung erhielten die Grünen von Caroline Krug (ÖDP). Sie stimmte dem Antrag „aus vollstem Herzen“ zu.

Lindl: Warum sollen wir uns vom Kreistag abhängig machen?
Ganz anderer Auffassung war Dr. Ernst Lindl (CSU). Er warnte davor, weitere Flächen zur Aufnahme in den Landschaftsschutz anzubieten: „Ich würde keinen einzigen Quadratmeter zusätzlich anbieten, weil ich dann immer den Kreistag fragen muss und die Gemeinde nicht mehr selbst entscheiden kann, ob sie ein Gebiet entwickeln will oder nicht.“ Nachdrücklich fragte Lindl: „Warum sollen wir uns vom Kreistag abhängig machen?“
Stefan Feldhütter (Freie Wähler) verstand Lindls Argumentation nach eigenen Worten gut: „Wir sollten uns nicht zu sehr einschränken.“
Schuster wähnt Rufe nach Enteignung
Auch Georg Schuster (FDP) zeigte sich mit Lindl einer Meinung. Bei anderen Gemeinden, sagte er, seien großzügiger Landschaftsschutzgrenzen gezogen worden als in Tutzing. Schuster argwöhnte sogar, der Antrag der Grünen klinge wie ein Ruf nach Enteignung, weil die Werte der betreffenden Grundstücke dann stark nach unten gehen würden.
Parstorfer erinnert an Bedarf an einem Gewerbegebiet
Thomas Parstorfer (CSU) bekräftigte ebenfalls, die Gemeinde solle nicht „ohne Not etwas hergeben“, was sie vielleicht irgendwann wieder brauche, es dann aber nicht mehr aus dem Landschaftsschutz heraus bekomme. Parstorfer erinnerte zudem an einen von vielen langgehegten Wunsch: „Tutzing braucht irgendwann mal ein Gewerbegebiet.“ Pfitzner sieht das aktuell laufende ISEK-Verfahren als Gegenpol hierzu. „Die Gemeinde will nicht ins Unermessliche wachsen“, sagte er: „Zusätzliches Gewerbe braucht zusätzlichen Wohnraum, den wir nicht anbieten können.“ Auch Caroline Krug mahnte, im Fall von Gewerbeansiedlungen müssten weitere Aspekte der Infrastruktur wie Wohnraum, Kindergartenplätze und mehr beachtet werden.
Dr. Thomas von Mitschke-Collande (CSU) wies darauf hin, dass sich private Bauwerber in erster Linie selbst um Ausgleichsflächen bemühen müssten. Christine Nimbach (fraktionslos) verwies auf andere Möglichkeiten wie Dachbegrünungen oder hochwertige Blumen. Dabei empfahl sie eine Zusammenarbeit mit dem Bund Naturschutz.
Es gibt noch Flächen im Tutzinger Ökokonto
Christine Nimbach erkundigte sich auch nach einem schon vor mehr zwei Jahrzehnten von der Gemeinde Tutzing angelegten "Ökokonto", das für Ausgleichsfälle gedacht sei. Die Gemeinde habe etliche mittlere und kleinere Flächen erworben, um sie ins Ökokonto aufzunehmen, sagte Bauamtleiter Wolfert. Eine große Fläche von rund 25 000 Quadratmetern sei inzwischen zum Ausgleich im Rahmen von mehreren Bebauungsplänen etwa zur Hälfte aufgebraucht.
Als Ausgleichsfläche für die Pläne von W.A.F. ist ein Grundstück im Gespräch
Bernd Pfitzner bekräftigte angesichts der Einwände, mit dem Antrag gehe es den Grünen nicht darum, weitere Grundstücke unter Landschaftsschutz zu stellen und dem Landkreis etwas anzubieten. Vielmehr solle vor allem eine Reduzierung des Landschaftsschutzgebiets verhindert werden: Wenn aus diesem wie im Fall von W.A.F. Flächen herausgenommen werden sollten, dann seien Vorratsflächen sinnvoll, um mit ihnen für Ausgleich sorgen und so die Gesamtgröße des Landschaftsschutzgebiets erhalten zu können: „Wenn ein Bewerber kommt: Haben wir dann etwas, was wir anbieten können?“ Zum konkreten Fall bei W.A.F. erklärte Wolfert, für einen ökologischen Ausgleich bei diesen Plänen sei bereits ein Grundstück im Gespräch, das ins Landschaftsschutzgebiet hereingenommen werden könne.
Bürgermeister Ludwig Horn stellte am Schluss der Debatte klar: „Heute wird kein bestimmtes Flurstücks ins Landschaftsschutzgebiet hereingenommen.“ Der Beschluss sehe eine Auflistung von Flächen vor, die optional für diesen Zweck seien. Die Aufstellung soll zunächst vor allem Aufschluss über die Eigentumsverhältnisse geben und aufzeigen, wo die Gemeinde eventuell Handlungsspielräume hat.
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Kommentare
Bernd Pfitzner vertritt als Stimme der Vernunft, dass eine Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes keine Option sein darf. In Zeiten multipler Krisen ist Landschaftsschutz de facto Menschenschutz. Nun gilt es, diesen vor kurzfristigen Profitinteressen zu bewahren.
Die verheerenden Fluten in Spanien haben es mit zahlreichen Toten drastisch vor Augen geführt: Naturschutz ist in der Klimakrise überlebenswichtig. Es geht nicht um ein paar Bäume und Büsche, sondern um unsere Existenz, um den Erhalt unserer Gebäude und Infrastruktur.
Als es um ein Windrad ging mit dem Ökostrom erzeugt werden sollte da konnte man nicht genug mit Landschaftschutz argumentieren.
Und zum Thema Enteignung. "Eigentum verpflichtet"