Von Lorenz Goslich

Das Nachrücker-Problem

In Tutzing wollten etliche Gewählte später doch nicht mehr in den Gemeinderat

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In Tutzing steht wieder eine Gemeinderatswahl bevor. Die Parteien und Gruppen, die im Gemeinderat vertreten sind oder hinein wollen, suchen derzeit Interessierte, die auf ihren Listen kandidieren wollen. Zwei Parteien, die CSU und die Grünen, haben ihre Wahllisten bereits aufgestellt, die anderen werden demnächst folgen.

Der Gemeinderat wird für sechs Jahre gewählt. Das bedeutet: Diejenigen, die am 8. März 2026 gewählt werden, sollten bereit sein, in diesen sechs Jahren - also bis 2032 - für das kommunalpolitische Amt zur Verfügung zu stehen. Es kommt immer wieder vor, dass ein Mandat neu zu besetzen ist. Üblicherweise folgt dann die Person, die bei der Wahl zuvor die nächstmeisten Stimmen erhalten hat. Ein Blick in die Tutzinger Vergangenheit zeigt aber etwas Auffallendes: Nicht alle, die für so eine Funktion kandidieren, nehmen in so einem Fall das Mandat an. Die Kandidatur bei einer Wahl ist das eine. Aber wenn erst einmal eine gewisse Zeit verstrichen ist, dann scheint das etwas ganz anderes zu sein.

Als zum Beispiel Marlene Greinwald von den Freien Wählern Anfang 2018 zur Bürgermeisterin gewählt worden war, wurde jemand für ihre Nachfolge im Gemeinderat gesucht. Der erste Nachrücker nach den Wahlergebnissen aus dem Jahr 2014 wäre Dr. Michael Groß gewesen. Er nahm das Mandat aber nicht an. So trat an seiner Stelle die Kandidatin mit den nächstmeisten Stimmen, Verena von Jordan-Marstrander, in den Gemeinderat ein.

Als Ludwig Horn von der CSU Ende 2023 zum Tutzinger Bürgermeister gewählt wurde, rückte für ihn wiederum nicht die 2020 mit den nächstmeisten Stimmen gewählte Person dieser Partei in den Gemeinderat nach. Das wäre Brigitte Grande gewesen, die in der vorangegangenen Periode als Parteilose auf der CSU-Liste im Gemeinderat gewesen war. Stattdessen kam Rolf Bäck in den Gemeinderat, der nach ihr 2020 die nächstmeisten Stimmen erhalten hatte.

Bei der FDP nahmen 2017 sieben Personen das Mandat nicht an

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Zahlreiche Einheimische wollen bei der Kommunalwahl 2026 gern in den Tutzinger Gemeinderat einziehen. Aber werden auch alle von ihnen bereit sein, später nachzurücken, falls jemand aus dem Gremium ausscheidet? © L.G.

Besonders auffallend war die Nachfolgesituation 2017 bei der Tutzinger FDP: Nachdem ihr Gemeinderat Dr. Hellmut Kirchner verstorben war, nahm niemand von den nachfolgenden sieben Personen, die auf der FDP-Liste standen, das Mandat an. Nach den Wahlergebnissen folgten auf den nächsten Plätzen Richard von Rheinbaben, Dr. Wolfgang Weber-Guskar, Fredrik Sonner, Elias von der Locht, Fabio Zielke, Margarete Lutzke und Harro Graf von Luxburg. Niemand von ihnen rückte in den Gemeinderat nach. Stattdessen wurde Prof. Maximilian Levasier Nachfolger, der auf den neunten Platz gewählt worden war. Bei der nächsten Gemeinderatswahl 2020 trat er nicht mehr an.

Natürlich ändern sich Lebenssituationen. Berufliche Neuorientierungen, private Umstände, gesundheitliche und viele andere Aspekte können zu ganz neuen Überlegungen führen, die viel wichtiger erscheinen als so ein lokales Engagement. Die Gründe dafür, dass nicht wenige der jeweils Gewählten in Tutzing dann doch nicht in den Gemeinderat nachrücken wollten, sind bestimmt im Einzelfall nachzuvollziehen und verständlich. Aber dass in Tutzing über Jahre in keinem einzigen Fall die erste Person mit den nächstmeisten Stimmen in den Gemeinderat nachgerückt ist, das ist schon bemerkenswert.

Für alle, die den Tutzinger Durchblick haben wollen, drängt sich deshalb tatsächlich eine Frage auf: Wie viele Interesse haben diejenigen, die am 8. März auf den diversen Listen stehen werden, wirklich und auch längerfristig an den lokalen Geschicken von Tutzing?

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Der aktuelle Tutzinger Gemeinderat (zum Vergrößern bitte anklicken) © Grafik: vorOrt.news
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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Das Nachrücker-Problem könnte auch mit der Organisation der Gemeinderatsarbeit zusammenhängen. Aus Beobachtersicht fallen zwei Aspekte auf. Zum einen verbringen die Gemeinderäte enorm viel Zeit mit Baurechtsfragen, obwohl sie in dem Gebiet meist Laien sind und das Landratsamt letztlich entscheidet. Drängende lokale Probleme bleiben währenddessen liegen. Hinzu kommt eine Kommunikationskultur, die, um es vorsichtig zu formulieren, nicht immer konstruktiv und lösungsorientiert ist. Unter diesen Bedingungen bleiben eher die Machtbewussten mit einem dicken Fell übrig. – Ob das für die Sache zum Besten ist, steht auf einem anderen Blatt.

Eine Besserung ist kaum zu erwarten, wenn ab März 2026 die AfD mit einem bis zu mehreren Sitzen vertreten sein dürfte. Die Partei fällt in nahezu allen deutschen Gremien durch ein zielgerichtet destruktives Vorgehen auf. Der Gemeindetagspräsident warnt, dass ein einziges Mandat genügen könne, um die Arbeit erheblich zu erschweren – etwa durch eine hohe Zahl von Geschäftsordnungsanträgen. Prognosen sagen der AfD 14 bis 19 Prozent voraus. Wie viele konstruktiv orientierte Kandidaten die mit der Radikalisierung einhergehende absehbare Verschlechterung gut aushalten, das wird sich zeigen müssen.
7 Absagen wenn ein Nachrücker gebraucht wird ... hört sich schon arg an.
Allerdings erkennen wir hier auch mal einen Nachteil von langen Amtsperioden.
Die Vorteile wie beispielsweise auf Dauer geringere Wahlkosten, oder 6 Jahre stabile Verhältnisse für Sachpolitik statt von einem Wahlkampf in den nächsten gehen zu müssen ... diese und andere Vorteile liegen auf der Hand.

Aber wenn man eben doch nicht gewählt wurde, kann man nicht verlangen, dass man sich bis zu 6 Jahre lang auf Abruf bereit hält.
In der Zwischenzeit ändert sich in jedem Lebenslauf einiges, und man geht eben auch andere VERPFLICHTUNGEN neu ein, die man dann auch nicht enttäuschen darf.

Sehr viel unglücklicher lief es da wohl in den letzten Jahren im benachbarten Pähl mit deren Bürgermeisterkandidaten.
So gesehen, ist in Tutzing noch vieles in Ordnung.

Nachtrag:
Und diesen speziellen Typ Karrierepolitiker, der sich gar keine anderen Lebensalternativen zur politischen Laufbahn vorstellen kann, und dafür bereit ist alles mitzumachen (oder sollte man sagen alles über Bord zu werfen?) ... wollen wir solche Typen wirklich?
(Bearbeitet)