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„Tutzing hat mir gut getan“

Marlene Greinwald feierlich zur Altbürgermeisterin ernannt - Dieser Titel wurde erst zum vierten Mal verliehen

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Marlene Greinwald freute sich sichtlich über den Ehrentitel Altbürgermeisterin, den ihr ihr Nachfolger Ludwig Horn verliehen hat

In feierlichem Rahmen hat die Gemeinde Tutzing am Donnerstag Marlene Greinwald den Ehrentitel „Altbürgermeisterin“ verliehen. Beschlossen hatte dies der Gemeinderat aufgrund Artikel 29 des Gesetzes über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen bereits am 6. Februar, wenige Tage nach dem Ende ihrer sechsjährigen Amtszeit.

Der Ehrentitel sei keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Ausnahme, sagte Bürgermeister Ludwig Horn. Er wies darauf hin, dass seit 1866 die zuvor als Ortsvorstände bezeichneten politischen Gemeindeoberhäupter Tutzings den Titel Bürgermeister tragen. „Bis 2017 haben 15 Herren diesen Titel getragen“, erinnerte Horn. Der Ehrentitel „Altbürgermeister“ sei nur drei von ihnen verliehen worden. Zum Vergleich: Die Gemeinde Tutzing habe zum Beispiel schon mehr als 20 Personen mit dem Titel „Ehrenbürger“ gewürdigt. Nach 151 Jahren sei Marlene Greinwald die erste Frau im Bürgermeisteramt gewesen. Horn erinnerte daran, dass Frauen in Deutschland 1918 das aktive und passive Wahlrecht erhalten haben – und dass der damalige Bürgermeister in Tutzing ein gewisser Martin Greinwald war, der ein Jahr später als erster Tutzinger mit dem Titel „Altbürgermeister“ geehrt wurde.

"Außerordentliches Engagement und unermüdliche Hingabe"

Horn würdigte "das außerordentliche Engagement und die unermüdliche Hingabe" der ehemaligen Bürgermeisterin. Marlene Greinwalds Schaffen und Wirken seien etwas Besonderes, ihr Engagement und ihre Leidenschaft für Tutzing seien stets inspirierend gewesen. "Du hast dein Amt nicht nur als Beruf, sondern als Berufung gesehen“, sagte er zu seiner Vorgängerin. Unter ihrer Führung seien zahlreiche Projekte ins Leben gerufen worden, die diese Gemeinde nachhaltig prägen und verbessern würden. „Mit der Sanierung von Grund- und Mittelschule, sowie der Hauptstraße, fallen zwei der – im wahrsten Sinne des Wortes – zentralsten und größten Infrastrukturprojekte unserer Ortsgeschichte in deine Amtszeit“, sagte Horn zu Marlene Greinwald und fügte hinzu: „Dank deiner Weitsicht und deines Einsatzes werden wir auch in Zukunft in einer lebendigen, zukunftsorientierten und lebenswerten Gemeinde leben.“

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Marlene Greinwalds Schaffen und Wirken sind etwas Besonderes, ihr Engagement und ihre Leidenschaft für Tutzing waren stets inspirierend. Ludwig Horn

Die gesamten 34 Jahre ihres Wirkens – 28 Jahre als Mitglied des Gemeinderats, zeitweise als 3. Bürgermeisterin, und sechs Jahre lang als Erste Bürgermeisterin – seien geprägt von ihrer Menschlichkeit, Empathie, Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit, sagte Horn. Das Wohl der Gemeinde selbst und das Wohl der Menschen in dieser Gemeinde habe Marlene Greinwald immer über ihr eigenes gestellt. Er schloss mit den Worten: „Heute möchten wir dir, liebe Marlene, unseren tiefsten Dank aussprechen. Dank für deine unermüdliche Arbeit, für deine Hingabe und für deine Liebe zu unserer Gemeinde. Du hast nicht nur die Geschicke unserer Gemeinde geleitet, sondern auch das Leben vieler Menschen positiv beeinflusst. Dieses Vermächtnis wird weiterhin spürbar sein und deine Errungenschaften werden noch lange in Erinnerung bleiben. Und wir freuen uns, dich weiterhin als wertvolle Wissensträgerin und engagierte Bürgerin an unserer Seite zu haben.“

Mit Marlene Greinwald schafften die Freien Wähler erstmals selbst den Sprung an die Rathausspitze

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"Ein schönes und zugleich wehmütiges Gefühl": Bürgermeister Ludwig Horn, Marlene Greinwald, ihr Mann Martin, ihre Tochter Sophie und ihre Enkelin Klara (3).

Marlene Greinwald, die in Xanten am Niederrhein geboren ist, ist mit Martin Greinwald verheiratet, der aus einer der ältesten Tutzinger Fischerfamilien stammt. Die Umgestaltung des Greinwaldhofs an der Traubinger Straße zu einem der ersten biologisch geführten landwirtschaftlichen Betriebe der hiesigen Region trägt maßgeblich die Handschrift der 62 Jahre alten staatlich geprüften Wirtschafterin für Landbau. 1990 wurde sie erstmals für den „Parteilosen Wählerblock“ (PWB), der in den 1990er Jahren in „Freie Wähler“ umbenannt wurde, in das kommunale Gremium gewählt.

Unter Bürgermeister Rudolf Krug wurde sie 2014 dritte Bürgermeisterin. Nach Krugs Tod wurde sie Anfang 2018 zur ersten Bürgermeisterin von Tutzing gewählt. Damit errangen die Freien Wähler von Tutzing, die den ÖDP-Kandidaten Krug schon 2014 unterstützt hatten, erstmals selbst die Rathausspitze. Zuvor hatten dies Heinrich Köppel (1970 und 1972), Konrad Erhardt (1978), Toni Aigner (1990 und 1996), Martin Büscher (2002) und Gisela Förster (2008) nicht geschafft. Lediglich 1984 gab es keinen Bürgermeisterkandidaten des PWB. 2014 dann der erste „halbe“ Sieg: Die Freien Wähler unterstützten erfolgreich den ÖDP-Kandidaten Rudolf Krug. „Es hat 48 Jahre gedauert, bis wir einen Bürgermeister der Freien Wähler durchgebracht haben“, folgerte Toni Aigner, der am Donnerstag an der Feierstunde teilnahm, vor vier Jahren bei einer Festveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen von PWB und Freien Wählern in Tutzing. Bei der Bürgermeisterwahl 2018 setzte sich Marlene Greinwald gegen ihre Mitbewerber Florian Schotter (CSU) und Bernd Pfitzner (Grüne) durch. Im November 2023 unterlag sie bei der Bürgermeisterwahl dem 27 Jahre alten CSU-Kandidaten Ludwig Horn. Dem Gemeinderat gehört sie nicht mehr an, denn bei der Kommunalwahl 2020 hatte sie für ihn nicht kandidiert. Auf die Frage nach einer nochmaligen Kandidatur für den Gemeinderat sagte sie in einem Interview mit dem „Starnberger Merkur“: „Ich würde es nicht ausschließen, aber im Moment weiß ich es nicht.“

„Tutzing ist kein Ort, in dem man aneinander vorbei läuft"

„Es ist ein schönes und zugleich etwas wehmütiges Gefühl, hier zu stehen und über meine lange politische Beziehung zu dieser Gemeinde, zu Tutzing, zu sprechen“, sagte Marlene Greinwald in der Feierstunde. Ihre Dankesworte bettete sie in Gedanken über diese Gemeinde ein. „Warum wächst einem ein Ort ans Herz?“, fragte sie. Es seien die Menschen, die einen neugierig machten, festhielten und hineinzögen in ihre ganz eigenen Geschichten. Ihre Erfahrungen mit dieser Gemeinde beschrieb sie so: „Tutzing ist kein Ort, in dem man aneinander vorbei läuft.“ In Tutzing seien alle Altersgruppen vertreten, es sei ein Ort von und für Familien. „Wir leben eng zusammen“, sagte sie weiter, „wir schauen aufeinander, wir kommen uns nicht aus, so ein kleiner Ort ist nichts für Feiglinge.“

In all den Jahren habe ich kaum eine Sitzung versäumt und mich aktiv an der politischen Diskussion beteiligt, auch wenn die Meinung einer jungen Mutter anfangs nicht unbedingt gefragt war im altehrwürdigen Gremium der wichtigen Herren des Ortes. Marlene Greinwald
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Für ansprechende musikalische Umrahmung der Feierstunde sorgte das Duo "Pfinsda", Anja Leibl und Brigitte Vockinger © L.G.

„Tutzing hat mir gut getan“, erklärte sie: „Und ich glaube, ich habe in meinen 34 Jahren Kommunalpolitik auch etwas zurückgeben können.“ Sie war 29, Mutter von zwei Kindern und beruflich voll eingespannt in den Bauernhof und die Fischerei ihrer Familie, erzählte sie, als sie zum ersten Mal in den Gemeinderat gewählt wurde. Doch schon in ihrem Elternhaus sei ihr vorgelebt worden, in der Gemeinschaft mitreden und mitentscheiden zu wollen: „Die Fülle der Aufgaben hat mich eher angespornt und wachsen lassen.“

Sie erinnerte an vier Bürgermeister in ihrer Zeit als Gemeinderätin: Dr. Alfred Leclaire, Peter Lederer, Dr. Stephan Wanner und Rudolf Krug. In all den Jahren habe sie kaum eine Sitzung versäumt und sich aktiv an der politischen Diskussion beteiligt, „auch wenn die Meinung einer jungen Mutter anfangs nicht unbedingt gefragt war im altehrwürdigen Gremium der wichtigen Herren des Ortes.“ Das habe sich im Lauf der Jahrzehnte erfreulicherweise geändert: „Diese Zeitenwende ist auch in Tutzing längst vollzogen.“

Die sechs Jahre als hauptamtliche erste Bürgermeisterin standen nicht in ihrem Karriereplan

Bei allen Gegensätzen in der Sache sei ihr immer gute Zusammenarbeit wichtig gewesen, betonte Marlene Greinwald. „Ohne Vertrauen geht Demokratie nicht“, sagte sie "mit Blick auf die Gegenwart mit großem Nachdruck". Dass sie in Tutzing auch sechs Jahre lang als hauptamtliche erste Bürgermeisterin dienen würde, habe nicht in ihrem Karriereplan gestanden - den sie „als solchen“ auch gar nicht gehabt habe, fügte sie schmunzelnd hinzu. Sie sei aber froh und stolz auf diese Zeit, die weder für sie noch für die anderen Einheimischen leicht gewesen sei: „Ich habe die lange verschobene Sanierung der Ortsdurchfahrt und die Erneuerung der Grund- und Mittelschule auf den Weg gebracht, nicht immer zur Freude der Betroffenen.“

Es braucht ein starkes Rückgrat, um zum Wohle der Allgemeinheit Einzelinteressen zu widerstehen. Marlene Greinwald

In ihrer Amtszeit sei es ihr gelungen, den intensiven Austausch mit den Tutzinger Betrieben und Unternehmen zu etablieren und die Gewerbesteuer zu verdoppeln. Den Gemeinderat und die Gemeindeverwaltung habe sie immer als Team angesehen. „Nichts Geringeres als das Gemeinwohl der gesamten Bürgerschaft war mein großes Ziel“, sagte sie: "Es braucht ein starkes Rückgrat, um zum Wohle der Allgemeinheit Einzelinteressen zu widerstehen." Auch hier gelte: „Kein Amt für Ängstliche.“

Ihre Vision von Tutzing in der Zukunft sei immer ein Ort gewesen, in dem alle Generationen gut leben können, mit Kinderbetreuung, Bildung und Sport an vorderster Stelle, mit attraktiven Arbeitsorten für die Wirtschaft und aktiven Beiträgen zur Klimaneutralität. „Das geht nur mit verantwortungsvollen Bürgerinnen und Bürgern“, betonte sie, „deren Kraft, Lebensfreude und Eigenwilligkeit diesen Ort ausmachen.“ Sie schloss mit einem großen Dank an den Gemeinderat und die Gemeindeverwaltung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und an ihre Familie, „dass sie es mit mir zusammen getragen und manchmal ertragen“ habe. Ihr rief sie zu: „Ich hab euch lieb.“

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