
Pflicht für Photovoltaik-Anlagen auf privaten Dächern? Ob solche Maßnahmen bei den Bemühungen um Klimaneutralität von Tutzing denkbar seien, wollte ein Besucher bei einer der Wahlveranstaltungen wissen. Das sei zurzeit rechtlich noch nicht möglich, erwiderte Bürgermeisterin Marlene Greinwald. In neue Bebauungspläne könne man dies aber aufnehmen. CSU-Bürgermeisterkandidat Ludwig Horn sprach sich gegen Verpflichtungen aus: „Aber man kann es klar bewerben.“ Es sei wichtig, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Bei den privaten Anlagen sehe man einen Anstieg, nicht zuletzt wegen der Balkonkraftwerke. Aber es gebe noch große Potenziale, die stärker genutzt werden könnten.
Eine 20 Hektar große Fläche nahe der Bundesstraße 2 bei der Abzweigung nach Kerschlach würde ein Tutzinger für ein Bürger-Solarkraftwerk zur Verfügung stellen. Tutzinger Bürgersolarpark „Wir könnten aber nur fünf Hektar einspeisen“, sagte Greinwald, „für 20 Hektar müssten wir unter der Ammer durch.“ Horn betonte auch den wirtschaftlichen Sinn der Nutzung von Photovoltaik, gerade auch mit Blick auf das Gewerbe. Dabei scheint er aufs Tempo drücken zu wollen: Es gebe einen Bestand, der sofort genutzt werden könne. Im gewerblichen Bereich sei zwar in Tutzing schon einiges vorangekommen. So gebe es im „Hotel Möwe“ seiner Mutter seit einiger Zeit eine Phtovoltaikanlage. „Das war eine wirtschaftliche Entscheidung“, betonte er. Doch er sehe noch große Potenziale, denn es gebe geeignete Flächen, so etwa Parkplätze der Supermärkte. Die Lebensmittelketten wie Lidl, Aldi und Edeka verfügten über „Riesenflächen“. Die jeweiligen Filialleiter in Tutzing könnten solche Entscheidungen jedoch nicht treffen. Bei den Zentralen sei dies nicht so einfach, aber man müsse Wege suchen, auch das „nicht greifbare“ Gewerbe zu erreichen. Auf den eigenen kommunalen Grundstücken könnte die Gemeinde Tutzing noch stärker vorangehe: „Bei den kommunalen Gebäuden haben wir viel in der Hand.“ Beispielhaft nannte er Parkplätze wie den beim Würmseestadion.

Zum Thema Windenergie verwies Marlene Greinwald auf den Windatlas für den Landkreis Starnberg. In Tutzing seien dort für Windräder keine Flächen vorgesehen, außer einer ganz am Rand der Gemeinde in Richtung Aschering. Sie verwies auf das Landesentwicklungsprogramm, nach dem zwei Prozent der Fläche von Bayern für Windenergie vorgesehen werden sollten. Nach dem "Wind-an-Land-Gesetz" muss jedes Bundesland bestimmte Quoten erfüllen muss. In Bayern bedeutet dies 1,1 Prozent der Landesfläche bis 2027 und 1,8 Prozent der Fläche bis Ende 2032. Die 18 regionalen Planungsverbände in Bayern, in denen Kommunen, Landkreise und die Bezirksregierungen vertreten sind, arbeiten daran, Windkraft-Vorranggebiete auszuweisen. Man versuche dabei derzeit auf freiwilliger Basis voranzukommen, sagte Greinwald. Zurzeit sehe sie dafür in dieser Gemeinde kein Gebiet. „Auf der Ilkahöhe werden wir kein Windrad bauen“, meinte sie, „ich will aber auch nicht sagen, dass ich es in Tutzing komplett ausschließe.“ Horn plädierte in Hinblick auf denkbare Windkraft-Anlagen für eigene Aktivitäten der Gemeinde: „Ich werbe dafür, dass wir uns jetzt darauf einstellen und nicht erst dann, wenn uns die Gesetzgebung dazu zwingt.“ Wind habe den großen Vorteil, dass er grundlastfähig sei. https://www.lk-starnberg.de/B%C3%BCrgerservice/Umwelt-Natur-Klimaschutz/Energie-und-Klimaschutz/Windkraft-im-Landkreis-Starnberg/
Die Versuche der Umstellung eines bestehenden Erdgas-Netzes auf Wasserstoff durch einen Verbund unter Beteiligung des regionalen Versorgers Energie-Südbayern (ESB) kommentierte Greinwald so: „Da bin ich mal gespannt.“ Die neuen Gasnetze seien dafür ausgelegt. „In die neue Hauptstraße hätten wir theoretisch irgendwelche Rohre legen können“, sagte sie. Die Gemeinde könne es sich aber nicht leisten: „Wir können kein Wärmenetz finanzieren - da muss es Versorger geben, deshalb konnten wir jetzt nicht prophylaktisch irgendwelche Rohre legen.“ Wie es bei einem Bedarf an weiteren Rohren nach Fertigstellung der Hauptstraße aussieht, bleibe abzuwarten. Dass man ganz Tutzing mit einem Wärmenetz durchziehe, könne sie sich zurzeit nicht vorstellen. Zurückhaltend äußerte sie sich auch über ein derzeit in Bernried laufendes Projekt zur Herstellung von Wasserstoff aus biologischen Reststoffen („Blueflux“): „Das wird auch nicht einfach.“ Fortschritte sieht sie aber bei einzelnen Projekten. So werde die Mittelschule im Rahmen ihrer Sanierung erst einmal energetisch ertüchtigt: „Wir haben die Heizung neu vergeben.“

Die größte Chance sieht Marlene Greinwald derzeit nach eigenen Worten in den aktuellen Untersuchungen zur kommunalen Wärmeplanung, für die die Gemeinde einen Förderantrag gestellt hat. Über die Untersuchungen hoffe man, eine Wärmequelle zu finden, was nicht einfach sei. „Ob wir den Starnberger See anzapfen dürfen, werden wir sehen“, sagte sie. Dies scheitere hier zu Lande zurzeit am Wasserrecht. Die Wärmequelle Oberflächengewässer, speziell des Seewassers, wird bisher in Deutschland kaum genutzt, obwohl entsprechende Anlagen gerade in der Schweiz schon viele Jahre gewinnbringend eingesetzt werden, wie in einer Dissertation „Thermische Seewassernutzung in Deutschland“ nachgewiesen wurde. Deutlich werde dies besonders am Bodensee. Während auf deutscher Seite das Seewasser ausschließlich zu Kühlzwecken eingesetzt werde, werde auf Schweizer Seite auch die Wärme des Seewassers mittels Wärmepumpe genutzt.
Horn will generell nicht abwarten, bis von „oben“ alles vorgegeben wird, sondern selbst die Initiative ergreifen. „Wenn Gesetze kommen, wäre ich gern vorbereitet“, sagte er: „Wir steigen in die kommunale Wärmeplanung ein - aber was machen wir danach?“ Es sei wichtig, weiter zu denken: „Wir müssen die Bürger mitnehmen und einen Mehrwert erzielen - denn wenn es am Ende unattraktiv ist, wird es keiner machen.“ Eher abschreckend ist für ihn, was bei den Mobilfunkanlagen passiert: „Wir sollten proaktiv handeln.“ Den „größten Hebel“ auf dem Weg zur Klimaneutralität werde es im Bereich der Energie geben, meinte Horn, aber ebenso müsse man an die Mobilität, den Bausektor, den Konsum und die Nahrungsmittel denken. So sollten seiner Meinung nach beispielsweise rasch Schnellladestationen für die Elektromobilität aufgebaut werden. Das sei gerade auch für eine Gemeinde mit Tagungen und mit Tourismus wichtig.
Immer wieder gab es auch beim Thema Klima von beiden Seiten Plädoyers für Gemeinsamkeit. Man müsse sich von dem Gedanken verabschieden, dass die Gemeinde alles selbst machen könne, sagte Horn. Sehr positiv bewertete Greinwald die Mitgliedschaft der Gemeinde Tutzing im „Energieeffizienznetzwerk Oberland“: „Die helfen uns bei unseren Gebäuden, wir sanieren unsere Gebäude.“ Tutzing sei dabei weiter als der Landkreis Starnberg, der zusammen mit Nachbarlandkreisen eine Energieagentur gegründet hat. Auch die Zusammenarbeit mit Partnern wie der Energiegenossenschaft Fünfseenland wurde positiv beurteilt. Horn plädierte auch dafür, beim Thema Klima die Kompetenzen zu bündeln: von Handwerkern, die die Module einbauen und die möglichst aus der hiesigen Region sein sollten, über die baurechtliche Seite und Steuerberater bis zu den Banken wegen der Finanzierung. „Bei denen habe ich angefragt“, berichtete er: „Drei hiesige Banken sind bereit, sich in dieser Hinsicht zu engagieren.“ Von großer Bedeutung sseien auch in dieser Hinsicht die ehrenamtlichen Potenziale, sagte Horn: „Am schönsten wäre es, wenn es von den Bürgern für die Bürger gemacht würde.“
Kommentar hinzufügen
Kommentare