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Freude mit Wermutstropfen

Positive Signale, aber auch Hinweise auf große Herausforderungen im Haushalt der Gemeinde

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In diesem Ordner stecken viele Informationen über die Gemeinde Tutzing © L.G.

„Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2022“ steht auf der ersten von insgesamt rund 380 Seiten eines Ordners mit dem Zahlenwerk der Gemeinde Tutzing. Allein der Umfang belegt die dahinter steckende Arbeit, deren zentrale Linien Kämmerin Manuela Goldate am Dienstag in der Gemeinderatssitzung vorgestellt hat. Sie und ihr Team erhielten von allen Seiten viel Anerkennung für die intensive Vorbereitung. In lediglich zwei Sitzungen hatten die Mitglieder des Haupt-, Finanz- und Werkausschusses die Beratungen im Dezember erledigt, und auch in der Gemeinderatssitzung am Dienstag ging im Vergleich mit früheren Haushaltsberatrungen alles recht schnell. Sowohl der Haushalt 2022 als auch die Finanzplanung für die Zeit bis zum Jahr 2025 wurden einstimmig genehmigt. Edeka-Nachfolgebau und Haushalt beschlossen

„Die harten Beratungen des letzten Jahres steckten uns noch in den Knochen“, sagte Dr. Thomas von Mitschke-Collande (CSU). Er sprach von einer großen Entspannung und erinnerte an ein Defizit von damals rund 800 000 Euro, dem diesmal ein Plus von etwa 700 000 Euro gegenübersteht. Gemeint ist damit nicht ein Gewinn wie in einer Bilanz, die mit doppelter Buchführung ermittelt worden ist, sondern ein Überschuss im „Verwaltungshaushalt“. Zu ihm gehören die jährlich wiederkehrenden Einnahmen wie etwa Steuern oder Gebühren sowie die fortdauernden Ausgaben, so etwa Personal- und Sachkosten, Energiekosten, Versicherungsbeiträge, Umlagen oder Kreditzinsen. Ein solcher Überschuss hat sich diesmal ergeben: 700 600 Euro können dem „Vermögenshaushalt“ zugeführt werden. Der enthält wiederum alle vermögenswirksamen Einnahmen oder Ausgaben der Gemeinde, von den Ausgaben für den Straßenbau über den Erwerb von Grundstücken bis zu Einnahmen aus dem Verkauf von Grundstücken.

Gewerbesteuer-Einnahmen der Gemeinde Tutzing erreichen Höchststand von 5,7 Millionen Euro

Nach den gesetzlichen Vorschriften hätten in den Vermögenshaushalt mindestens 206 900 Euro aus dem Verwaltungshaushalt eingestellt werden müssen. Der höhere Betrag von mehr als 700 000 Euro wurde durch Verbesserungen auf der Einnahmeseite ermöglicht. So haben sich die Gewerbesteuer-Einnahmen der Gemeinde besonders im zweiten Halbjahr 2021 deutlich erhöht. Für das ganze Jahr 2021 waren die Gewerbesteuer-Einnahmen mit 4,3 Millionen Euro eingeplant worden, doch tatsächlich sind sie auf 5,7 Millionen Euro gestiegen. Das ist ihr bisheriger Höchststand in Tutzing.

Einnahmen im Verwaltungshaushalt fast drei Millionen Euro höher als Ausgaben

Insgesamt haben die Einnahmen im Verwaltungshaushalt 2021 die Ausgaben sogar um fast drei Millionen Euro überstiegen. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzen sollte, könnten künftig noch höhere Zuführungen zum Vermögenshaushalt möglich erscheinen. Aber das bleibt natürlich abzuwarten.

In den Stellungnahmen der Gemeinderäte spiegelte sich die Freude über diese und andere positive Entwicklungen wider. So sinkt die Verschuldung der Gemeinde seit Jahren, und diese Entwicklung wird sich nach den Planungen fortsetzen. Doch in die positiven Kommentare mischten sich dann doch etliche Wermutstropfen. Sprecher mehrerer Fraktionen sahen neben etlichen positiven Signale auch Hinweise auf große Herausforderungen, so dass sich trotz der einstimmigen Genehmigung des Haushalts letztlich ein zwiespältiges Bild ergab.

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Die Finanzierung der Schulsanierung bereitet den Gemeinderäten Kopfzerbrechen. Die Skizze zeigt links das alte Lehrerwohnhaus, in der Mitte die alte Volksschule und rechts die Mittelschule in der geplanten erneuerten Form mit einem Mensa- und Veranstaltungstrakt. © bioplan-architekten

"Notverkäufe" wegen Finanzierung der Mittelschule befürchtet

Einige Gemeinderäte vermissten in der Finanzplanung bis zum Jahr 2025 zwei wichtige Tutzinger Projekte: die Sanierung der Mittelschule und die Sanierung der Hauptstraße. „Unter Umständen werden wir Tafelsilber verkaufen müssen“, befürchtete Bernd Pfitzner (Grüne), „weil wir in der Vergangenheit nicht genug getan haben.“ Da habe es Versäumnisse gegeben.

Immer wieder äußerten Gemeinderäte die Hoffnung, dass „Notverkäufe“ vermieden werden können. Zur Finanzierung der Mittelschule war schon eine Veräußerung der gemeindeeigenen Kustermannvilla im Gespräch. Gerade die Verbesserungen der Gemeindefinanzen in jüngerer Zeit nähren aber die Hoffnung, dass solche Maßnahmen vielleicht doch vermieden werden können. Die Gemeinde baut auch schon eine Sonderrücklage für die Mittelschule auf. Ihr sollen in diesem Jahr 750 100 Euro zugeführt werden, in den nächsten Jahren eventuell höhere Beträge. Dr. Wolfgang Behrens-Ramberg (Tutzinger Liste) nannte auch eine Kreditaufnahme oder Vermögensumschichtungen als denkbare Wege, Immobilienverkäufe als letzten Notnagel zu verhindern.

Hoher Stand der Rücklagen - aber sie sollen kräftig abschmelzen

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Viele Hoffnungen auf Einnahmen für die Gemeinde werden mit dem in Entstehung befindlichen Gewerbegebiet auf dem früheren Roche-Gelände verbunden © FixVisuals/ehret+klein

Recht gut schaut es eigentlich bei den Rücklagen der Gemeinde Tutzing aus: Sie haben einen verhältnismäßig hohen Stand von neun Millionen Euro erreicht. Doch dieses schöne finanzielle Polster wird aller Voraussicht nach schon in diesem Jahr kräftig abschmelzen: Sechs Millionen Euro sollen davon entnommen werden, um den Haushalt auszugleichen. Damit bleiben nur drei Millionen Euro Rücklagen übrig. Schon geplant ist auch eine Kreditaufnahme in den Jahren 2023 bis 2025, und zwar insgesamt von 5,9 Millionen Euro.

Die Steuerkraft der Gemeinde, die nach mehreren Jahren mit Zunahme 2022 auf 12,66 (Vorjahr 12,9) Millionen Euro sinken soll, sei im Landkreis-Vergleich schlecht, sagte Mitschke-Collande: „Wir sind die vorletzte Gemeinde.“ Hätte Tutzing nur den Durchschnitt aller Gemeinden im Kreis, dann müsste die Gemeinde nach seinen Worten fünf Millionen Euro mehr Steuern einnehmen. Daran müsse gearbeitet werden, um „endlich Handlungsspielraum“ zu haben - so durch Ausweisung neuer Gewerbeflächen. Ins gleiche Horn stieß Behrens-Ramberg: Trotz erfreulicher finanzieller Verbesserung durch Einkommensteuerbeteiligung und höhere Gewerbesteuern brauche die Gemeinde sehr viel mehr Spielraum: „Und den bekommen wir nur durch höhere Gewerbesteuer-Einnahmen.“ Bernd Pfitzner von den Grünen gab jedoch auch zu bedenken, dass man nicht immer alles nur unter den Gesichtspunkten der Gewerbesteuer sehen dürfe: „Wenn wir mehr Gewerbe ansiedeln, kommen neue Arbeitskräfte, für die wir bezahlbaren Wohnraum brauchen.“ Positiv bewertete Pfitzner die im Nachfolgebau für Tengelmann/Edeka an der Hauptstraße vorgesehenen EOF-geförderten Wohnungen: „Daran partizipieren wir auch - jeder der einzieht, wird auch etwas für unseren Haushalt tun, das ist der richtige Weg.“

Der Gemeinde fehlen Fachkräfte

Als eine der Hauptsorgen bezeichnete Mitschke-Collande den Fachkräftemangel, der die Gemeinde erreicht habe. Zeitweise seien zehn ihrer Stellen unbesetzt gewesen. Aus diesem Grund seien manche vorgesehenen Arbeiten nicht erledigt worden. Finanzielle Mittel, die für die betreffenden Projekte eigentlich zur Verfügung gestanden hätten, seien aus diesem Grund nicht abgerufen worden. Dass die Rücklagen so hoch sind, ist auch darauf zurückzuführen. Man müsse daran arbeiten, attraktiv für neue Mitarbeiter zu werden, mahnte Mitschke-Collande. Für ihn sind das die großen Herausforderungen für die Gemeinde Tutzing: Für mehr Gewerbe sorgen und Gewerbeflächen ausweisen sowie sich mit dem Personalthema auseinandersetzen.

Forderungen nach Strategie, Digitalisierung und Klimaschutz

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Das Rathaus ist nicht nur als Gebäude zugänglich, sondern auch online erreichbar. Im Gemeinderat gibt es Forderungen nach verstärkter Digitalisierung der kommunalen Verwaltung. © L.G.

Eine verstärkte Digitalisierung der Gemeinde mahnte Wolfgang Behrens-Ramberg von der Tutzinger Liste an: „Man kann digitalen Zugang zum Haushalt haben“, sagte er. Dies sei wichtig für Information und Transparenz. Auch im ISEK-Verfahren werde digitale Bürgerbeteiligung verlangt. Dieses Programm soll den Zugang zu finanzieller Städtebau-Förderung schaffen und gleichzeitig Bestandteil einer größeren Gesamtstrategie mit „Leitzielen“ für die Gemeinde sein, wie auf Antrag der „Tutzinger Liste“ beschlossen worden ist. Bernd Pfitzner von den Grünen dehnte die Thematik auf den Umweltschutz aus: „Wir würden uns eine strategische Herangehensweise im Gemeinderat und in der Verwaltung auch unter Berücksichtigung der Energiewende und des Klimaschutzes wünschen.“ Für diese Aspekte gebe es zwar generell viele Plädoyers, doch bei konkreten Einzelfallentscheidungen sei dies oft dann doch nicht unbedingt der Fall. Ähnlich sei es bei den häufigen Appellen, die Aufenthaltsqualität an der Hauptstraße zu verbessern: Wenn es um Einschränkungen des Autoverkehrs gehe und vielleicht sogar ein Wegfall von Parkplätzen gefordert werde, sehe es schwierig aus. Die Gemeinde müsse ihre Liegenschaften sanieren und die Energiequellen verstetigen. Fortschritte auf diesem Weg verspricht er sich durch die Mitgliedschaft von Tutzing im „Energienetzwerk Oberland“: „Das wird uns eine erhebliche Verbesserung auch auf der Ausgabenseite bringen.“

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Bericht von Gemeinderat Dr. Wolfgang Behrens-Ramberg, Tutzinger Liste:
https://www.tutzinger-liste.de/blog/haushalt-2022-beschlossen/

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