Von Lorenz Goslich

Kommentar: Distanz vieler Bürger hat Gründe

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Da hätten noch mehr Stimmzettel liegen können © L.G.

Nicht mal 58 Prozent der Stimmberechtigten haben sich am Sonntag an der Bürgermeister-Wahl beteiligt. Das bedeutet, dass mehr als 3000 potenzielle Stimmen nicht vergeben worden sind. Diese geringe Wahlbeteiligung sorgt in Tutzing für viele Diskussionen. Kommentare wie „Armutszeugnis“, ja „Skandal“ waren zu hören.

Man fragt sich, woran das liegt. Könnte sich in der verbreiteten Wahlenthaltung eine gewissse Distanz vieler Bürger zur Gemeinde bemerkbar machen? In den vergangenen Wochen war es interessant zu beobachten, wie förmlich süchtig zahlreiche Einheimische auf Diskussionen mit Kommunalpolitikern waren. Wenn sich Kandidaten irgendwo blicken ließen - auf dem Wochenmarkt, in Ortsteilen, bei Spaziergängen durch die Gemeinde -, wurden sie mit allen möglichen Fragen und Problemen regelrecht bombardiert.

Die Gespräche mit ihnen schienen vielen Bürgern sichtlich gut zu tun. Selbst wenn damit noch keines ihrer Probleme gelöst war, hatte man den Eindruck, dass sie sich schon freuen, wenn ihnen eine verantwortliche Person überhaupt Gehör schenkt. Immer wieder konnte man dabei auch eher resigniert klingende Bemerkungen hören, dass man die meisten Gemeinderäte sonst, wenn gerade keine Wahl bevorsteht, selten oder gar nicht zu sehen bekomme - in den Geschäften wie in den Vereinen, bei Veranstaltungen im Ort und in den Ortsteilen oder einfach auf der Straße. Gewiss gibt es da Unterschiede zwischen den Kommunalpolitikern. Aber insgesamt ist diese Meinung verbreitet.

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Viele Bürger haben Interesse, so wie hier bei der Auszählung. Aber erstaunlich viele bleiben fern. © L.G.

Nun kann man auch die Auffassung vertreten, dies sei nicht unbedingt nur eine Bringschuld der Kommunalpolitiker, sondern auch eine Holschuld der Bürger. Schließlich sieht man das Jahr über zum Beispiel in den Gemeinderats- und Ausschuss-Sitzungen meistens entweder gar keine oder nur sehr wenige Besucher. Selbst wenn der Rathaussaal wegen eines wichtigen Themas einmal voll ist, repräsentieren die vielen Gäste doch nur eine sehr kleine Minderheit aller Tutzinger Bürger.

Aber es dürfte wie meistens im Leben ein Geben und Nehmen sein. Das Interesse muss von beiden Seiten kommen, und beide Seiten können zu einem „Miteinander“ - das ja zurzeit überall so beschworen wird - viel beitragen. Dabei sollte man auch nicht vergessen, dass es sich hier um die "kommunale Selbstverwaltung" handelt. Viele Entscheidungen werden auf anderen Ebenen getroffen - in der EU, im Bund, im Land, ja sogar im Landratsamt: Oft werden Beschlüsse der Gemeinde dort geändert, so etwa bei Bauprojekten.

Umso wichtiger ist es, dass Kommunalpolitiker den Bürgern dennoch das Gefühl vermitteln, dass sie für sie da sind. Jedenfalls ist in den vergangenen Wochen ein beträchtlicher Bedarf der Tutzinger Bürger an mehr - und vor allem auch regelmäßiger - Kommunikation mit den Tutzinger Kommunalpolitikern deutlich geworden. Fast könnte man meinen, in der geringen Wahlbeteiligung spiegele sich die Distanz nicht weniger Kommunalpolitiker zu ihren Bürgern wider.

Dieses Problem wird in knapp zwei Wochen wohl kaum zu lösen sein. Für künftige Wahlen aber könnten intensive und regelmäßige persönliche Bemühungen der Kommunalpolitiker um ihre Bürger wahrscheinlich eine Menge bringen.

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Quelle Titelbild: L.G.
ID: 365
Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Diese bemerkenswerte, hervorragende Plattform für Tutzing bietet ja auch eine gute Möglichkeit der Kommunikation der Bürger mit Gemeinderäten. Bisher sehe und finde ich wenig Kommentare. Hier können Anregungen ja Forderungen der Bürger für alle Interessierte publiziert werden. Fehlende Antworten der Verantwortlichen (z.B. der vielen Referenten) spräche für sich.
Zunächst aber, liebe Mitbürger gehen sie zur Wahl: Falsch wählen ist schade, nicht wählen ist schlecht!l
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