Gesundheit
21.8.2019
Von Lorenz Goslich

Tutzing, Feldafing, Shanghai

Die Krankenhaus-Gruppe Artemed legt ein atemberaubendes Wachstumstempo vor

Diese Expansion ist schier atemberaubend. Während die Gesundheitswirtschaft als kränkelnd gilt, macht das in Tutzing ansässige Unternehmen Artemed durch ein enormes Wachstumstempo auf sich aufmerksam. Zu geplanten Erweiterungsbauten am Tutzinger Krankenhaus kommt ein kompletter Krankenhaus-Neubau in Feldafing und ein neues Krankenhaus im chinesischen Shanghai.

Die Chefs der Artemed-Gruppe waren früher alle bei McKinsey

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Thomas Mann verbindet: Prof. Rainer Salfeld (li.) und Gernot Abendt bei der Präsentation des eigens erworbenen Grammophons im Tutzinger Ortsmuseum © L.G.

Gründer der Artemed-Gruppe ist Prof. Rainer Salfeld. Er ist kein Arzt, sondern ein promovierter Jurist, der als Experte für Unternehmensstrategie gilt. Seine Partner in der Geschäftsführung der Artemed-Gruppe sind der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Benjamin Behar und der Mediziner Dr. Clemens Guth. Alle drei Mitglieder der Geschäftsführung waren früher bei der Beratungsgesellschaft McKinsey tätig, alle haben sich dort mit dem Gesundheitswesen befasst.

Mit einer recht deutlichen Prognose hat der „Spiegel“ Salfeld im Jahr 2006 zitiert: Ein Drittel der deutschen Krankenhäuser werde den verschärften Wettbewerb nicht überleben. Dass er gleichzeitig auch von Erfolgschancen in der Gesundheitswirtschaft überzeugt ist, hat Salfeld schon damals längst durch eigene Aktivitäten belegt. Bereits 1990, also während seiner Zeit bei McKinsey, hat er mit einer Klinik zur Diagnostik und Therapie peripherer Gefäßerkrankungen in Bad Oeynhausen begonnen. Seitdem erregen er und seine Partner mit der Artemed-Gruppe durch immer neue Krankenhäuser und ein Wachstum auf eine Weise Aufsehen, die die Fachwelt ebenso staunen lässt wie Laien.

Immer mehr Krankenhäuser sind in den vergangenen Jahren dazugekommen. Inzwischen sind es Krankenhäuser in dreizehn Städten und Gemeinden von Deutschland. Im Oktober dieses Jahres soll das neue Krankenhaus in Shanghai eröffnet werden. Außerdem betreibt die Gruppe fünf Seniorenzentren. Schließlich unterstützt sie mit einer eigenen Stiftung medizinische Projekte weltweit, darunter ein Akutkrankenhaus in Brasilien, eine schwimmende Klinik in Myanmar und ein Pflegezentrum für bedürftige Kinder in Namibia. Nach eigenen Angaben beschäftigt die Artemed-Gruppe zurzeit etwa 5000 Mitarbeiter.

Zusammenhänge mit Thomas Mann

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Mit dem Kauf in Feldafing hat Artemed auch das "Villino " erworben, in dem einst der Dichter Thomas Mann wohnte © L.G.

In Tutzing ist Salfeld auch schon auf ganz andere Weise öffentlich aufgetreten. So hat er beispielsweise den Kauf eines Grammophons unterstützt, das baugleich ist wie das Gerät, das der Dichter Thomas Mann geschätzt hat. In der derzeit im Tutzinger Ortsmuseum laufenden Ausstellung "Thomas Mann am Starnberger See" hat deren Organisator, Tutzings früherer Vizebürgermeister Gernot Abendt, das alte Stück sehr zufrieden gemeinsam mit Salfeld präsentiert. Auch bei der Neugestaltung des bekannten "Villino" in Feldafing, in dem Thomas Mann gewohnt hat, arbeiten Salfeld und Abendt zusammen. Das Gebäude gehört der Artemed-Gruppe, seit sie 2012 ein fünf Hektar großes Gelände des Bundeswehr-Areals für den Neubau ihres Krankenhauses in Feldafing gekauft hat. Wegen der geplanten Umnutzung gab es zunächst Schwierigkeiten, weil das Landratsamt Starnberg auf eine im Bebauungsplan eingetragene Wohnnutzung verwies. Doch dieses Problem hoffen die Verantwortlichen von Artemed nun gemeinsam mit der Gemeinde Feldafing durch einen veränderten Antrag lösen zu können.

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Feldafing: Erster Krankenhaus-Neubau im Landkreis Starnberg seit vielen Jahren

Die neue Feldafinger Artemed-Klinik ist seit vielen Jahren der erste Krankenhaus-Neubau im Landkreis Starnberg. Das neue Krankenhaus, das im Oktober dieses Jahres eröffnet werden soll und rund 40 Millionen Euro kosten dürfte, soll für die Weiterbehandlung und Rehabilitation in den Bereichen Orthopädie, Neurologie und Geriatrie verbesserte Möglichkeiten schaffen. 226 Betten sind vorgesehen. Ganz oben, mit bestem Blick auf den See, soll es nicht nur eine große Dachterrasse geben, sondern auch ein paar Luxus-Appartements für Selbstzahler. 350 Mitarbeiter sollen in der Feldafinger Klinik tätig sein. Neben der Klinik werden 68 Personalwohnungen errichtet.

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Imposant ist das neue Artemed-Krankenhaus in Feldafing © L.G.

Shanghai: Die erste mit ausländischem Kapital finanzierte Medizineinrichtung

Das Krankenhaus in der Freihandelszone von Shanghai ist dort die erste ausschließlich mit ausländischem Kapital finanzierte medizinische Einrichtung. In der Freihandelszone ist das Gesundheitswesen einer der Bereiche, die auch ausländischen Investoren offenstehen. Es können zahlreiche Medizinprodukte nach China importiert werden, auch ausländische Ärzte sollen dort arbeiten. Zum Bau des Krankenhauses mit etwa 300 Betten hat Artemed 2014 eine Rahmenvereinbarung mit der in Hongkong ansässigen Gesellschaft Silver Mountain Capital abgeschlossen. Behandelt werden sollen in diesem Artemed-Krankenhaus vor allem Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Knochenerkrankungen und Lungenkrankheiten. Auch ein Ausbildungs- und Schulungszentrum wird integriert.

Deutschlands größter Dialyse-Betreiber ist eng mit Tutzing verbunden

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"Tutzinger Modell": Die Partnerschaft mit dem Kuratorium für Heimdialyse gilt als wegweisend © L.G.

In Tutzing ist für ein neues Dialyse-Zentrum auf der Südseite des Krankenhauses ein Anbau ans Erdgeschoss vorgesehen, etwa dort, wo sich bisher der Hubschrauber-Landeplatz befindet. Außerdem sollen die Operationsräume und die Intensivstation vergrößert werden. In den neuen Anbau für die Dialyse soll auch die Notaufnahme integriert werden. Von der Bahnhofstraße aus soll außerdem eine neue Zufahrt zum Kloster entstehen. Den Neubau will die Artemed-Gruppe dann an das Kuratorium für Heimdialyse (KfH) vermieten, eine Stiftung, die auch das bisherige Tutzinger Dialysezentrum betreibt.

Eine Partnerschaft zwischen dem Tutzinger Krankenhaus und dem KfH besteht seit Jahrzehnten. Als „Tutzinger Modell“ gilt sie als wegweisend für die als wichtig betrachtete direkte Anbindung eines Dialyse-Zentrums an ein Krankenhaus. Das seit 1969 bestehende KfH ist mit mehr als 200 Nierenzentren, 23 medizinischen Versorgungszentren und rund 6800 Mitarbeitern Deutschlands größter Dialyse-Betreiber. Speziell für junge, chronisch nierenkranke Patienten gibt es bundesweit 16 spezialisierte Behandlungseinrichtungen, sogenannte KfH-Nierenzentren für Kinder und Jugendliche. Die Stiftung versorgt in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern etwa 19 000 Dialyse-Patienten und mehr als 69 000 Sprechstunden-Patienten. Eine Modernisierung mit dem Neubau betrachten die Verantwortlichen bei Artemed und KfH als notwendig, weil die bisherige Dialyse-Station in die Jahre gekommen ist. Die Artemed-Gruppe hat für das Tutzinger Krankenhaus mit dem Kloster der Missionsbenediktinerinnen einen Erbpachtvertrag abgeschlossen.

Kliniken der Artemed-Gruppe

Augsburg: Augsburg Klinik Vincentinum
Bad Oeynhausen: Artemed Fachklinik Bad Oeynhausen
Bentheim: Heilig-Geist Hospital
Berlin: Havelklinik
Dießen: Psychosomatische Klinik Kloster Dießen
Feldafing: Benedictus Krankenhaus Feldafing
Frankfurt: St. Elisabeth-Krankenhaus
Hamburg: Krankenhaus Tabea
Kempen: Hospital zum Heiligen Geist
Lilienthal: Klinik Lilienthal
München: Artemed Fachklinik München, Chirurgisches Klinikum München-Süd
Simmerath: Eifelklinik St. Brigida
Tutzing: Benedictus Krankenhaus Tutzing

ID: 2115
Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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