Gemeindeleben
22.10.2017
Von Christine Adler

Wer den Pfennig nicht ehrt, ...

Kassier der Bayerischen Seenschifffahrt nimmt am Ausfugsdampfer "Bernried" keine Fünf-Cent-Stücke eines Rentners an.

Eine traurige Erlebnisgeschichte vom 21. Oktober 2017.

Seit Juni bin ich dank des großzügigen Geschenkes zahlreicher Freundinnen der katholischen Kirchengemeinde Tutzing stolze Besitzerin einer Jahreskarte für die Bayerische Seenschifffahrt auch am Starnberger See. Weil mein Sohn Joseph "Schiffi-fahren" liebt, haben seine "Tanten" und "Omas" ganze 180 Euro mit meinem Vater und dem lieben Kai zusammengelegt, damit mein Sohn, meine Tochter und ich seither mit ungebrochener Freude den Starnberger See durchqueren.

Mittlerweile kennt uns fast das ganze Personal und Joseph betitelt fast jeden der Mannschaft als "Kapitän". Manchmal kommt der Opa mit. Dann kauft er sich eine Karte und wir machen einen kleinen Familienausflug von Tutzing nach Starnberg oder einmal im Kreis. Wie auch heute. Eigentlich ist die "Schiffi" Saison am Starnberger See um diese Jahreszeit ja leider schon vorbei, doch heute machte die Bayerische Seenschifffahrt eine Ausnahme und bot eine Fahrt um 14 Uhr von Starnberg ohne Unterbrechung für eine Stunde an.

Kosten für einen Erwachsenen: 10,30 Euro. Da mein Vater davor eine Stunde auf die Kinder aufgepasst hatte, wollte ich ihn zu dieser Fahrt einladen. Ich gab ihm die 10 Euro und wir kratzten im Geldbeutel noch die 30 Cent aus sechs Fünf-Cent-Stücken zusammen. Getränke und Essen war reichlich im Kinderwagen, weil ich zuvor Einkaufen war. Wir freuten uns alle sehr über diese einmalige Gelegenheit eines Spätsommer-Ausfluges, jetzt wo die Tutzinger Eisdiele ja auch schon zu war.

Ich schob den Kinderwagen an Board, vorbei an der MS Starnberg, die wegen einer Hochzeit gerade auch in Starnberg vor Anker lag: "Da kostet eine Stunde Chartergebühr auch 1000 Euro. Mit Catering und wenn die Fahrt jetzt sieben Stunden geht, können sie sich ausrechnen, dass dann 15.000 Euro schnell zamm sind!" erläuterte noch ein Schifferlmann der Bayerischen Seenschifffahrt einigen Gästen, die mit uns in der Schlange standen, um auf die "Bernried" zu kommen. Mein Vater und ich diskutierten noch, ob das jetzt viel sei oder nicht und ob es bei dem Preis noch eine Verhandlungsbasis gäbe.

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Keine Cents gewünscht: Schiff am Tutzinger Dampfersteg © L.G.
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Kassier: "Die nehm ich nicht"

Über unsere Überlegungen stiegen wir mit dem Kinderwagen ein, den ich im Schiff gleich parkte um auf meinen Vater zu warten, der sich an der Kasse seine Karte kaufen wollte. Wollte … denn als mein Vater den 10 Euro Schein und die sechs Fünf-Cent-Stücke dem Kassier hinlegte, sagte dieser nur schroff: "Die nehm ich nicht."

"Warum?" fragte mein Vater noch freundlich, worauf die Antwort kam: "Wir nehmen auf den Schiffen der Bayerischen Seenschifffahrt keine Cent-Stücke an.“ Immer noch freundlich fragte mein Vater: "Aber wie soll ich denn dann die 30 Cent bezahlen?" - "Nicht mit Fünf-Cent-Stücken!" lautete die Antwort.

Ich sah nur, wie mein 71-jähriger Vater kreideweiß wurde und sagte: "Das ist Geld der Bundesrepublik Deutschland. Sie sind verpflichtet dieses anzunehmen. Kann ich bitte Ihren Vorgesetzten sprechen."

Von Besatzungsmitglied aus dem Schiff gedrängt

"Der Kapitän ist drüben bei der Hochzeit!" Mit diesen Worten drängte ein anderes Besatzungsmitglied Bauch an Bauch meinen Vater aus dem Schiff. Wie bereits erwähnt, einen 71-jährigen Mann, der nur eine Schiffskarte kaufe wollte.

Wir stiegen auch aus und wollten den Kapitän nun fragen, wie wir diese unselige Situation lösen könnten. Darauf dieser nur: "Ich habe hier eine Hochzeit, darum kann ich mich nicht kümmern. Beschweren sie sich halt am Montag im Büro." Ja, nur leider fahren am Montag keine Schiffe mehr am Starnberger See und was die Sonne dann treibt ist auch unklar.

Für mich war diese ganze Situation unerträglich. Wir hatten so viele schöne Stunden auf den Schiffen verbracht. Wir hatten dort auch viel Geld gelassen, für Pommes, Weißwürste und Apfelsaftschorle. All das, was Kinder halt so lieben. Oftmals gesponsert vom Opa. Und diese elendige Behandlung durch das Schiffspersonal heute hatten weder mein Vater noch ich verdient.

Mitarbeiter der Seenschiffahrt: "So steht es halt in unserer Verordnung"

Mein Sohn fragte nur: "Warum können wir jetzt nicht Schiffi Fahren?" Gute Frage. Wirklich gute Frage. Für mich war diese ganze Situation ein Rätsel. Richtig traurig und gedemütigt gingen wir den Steg zurück und ich fragte einen Mitarbeiter der Bayerischen Seenschiffahrt, mit dem ich mich in der Vergangenheit oft unterhalten hatte, nach dem Problem um diese Fünf-Cent. Worauf der mir antwortete: "So steht es halt in unserer Verordnung. Die können Sie ja gerne hier vorn am Häuserl einsehen."

Was wir dann auch sofort taten: "Allgemeine Beförderungsbedingung der Bayerischen Seenschifffahrts GmbH vom 01.01.2013. § 6: Als Zahlungsmittel wird nur der Euro akzeptiert. Das Fahrgeld soll möglichst abgezählt bereit gehalten werden. Die Kassier sind nicht verpflichtet … Fünf und Zwei Cent Stücke von mehr als einem Euro… anzunehmen."

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Der entscheidende Passus aus der Verordnung

Neben einer Luxus-Hochzeit sind sechs Fünf-Cent-Stücke nicht willkommen

Das Gesetz war mit uns. Doch wie kann so eine Schmach wiedergut gemacht werden? Ich musste zusehen, wie mein wirklich liebevoller und gutmütiger Vater weiß um die Nase wurde, sich wirklich schlecht behandeln lassen musste – zu Unrecht, auch juristisch gesehen, weil er 30 Cent mit sechs Fünf-Cent-Stücken abgezählt und bereitgehalten bezahlen wollte, um mit seinem kleinen Enkel Joseph einen „Schiffi“-Ausflug zu machen, bei dem schönen Wetter.

Klar, mein Vater kann und möchte eine Beschwerde schreiben, vielleicht klagen. Aber was ist mit dem schlechten Gefühl, das bleibt, dass ein Rentner neben einer Luxus-Hochzeit nicht 30 Cent mit sechs Fünf-Cent Stücken bezahlen kann? Das ist und bleibt ein himmelschreiendes Unrecht.

ID: 59
Über den Autor
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Christine Adler

Christine Adler ist Mutter von zwei Kindern, Schauspielerin und wohnt in Tutzing

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