Der Gemeinderat hat in seiner gestrigen Sitzng dem Antrag des Jugendbeirat Tutzing auf Umbenennung der Elly-Ney-Straße mehrheitlich die Zustimmung erteilt. Er ging dabei über die gestellte Forderung hinaus und beschloss auch die Entfernung der Elly-Ney-Büste an der Brahmspromenade. Dem letztendlich eindeutigen Beschluss mit nur drei Gegenstimmen ging jedoch eine intensiv geführte Beratung der Ratsmitgieder voraus. Im Zuschauerraum wurde dies kontroverse Diskussion hörbar emotional mitverfolgt. Bürgermeister Ludwig Horn musste die Zuhörer gleich mehrmals zur Ruhe bitten.
Eingangs erläuterte Paul Friedrich vom Jugendbeirat den Antrag für alle Zuhörer gut verständlich unter Nutzung des Mikrofons: Die geborene Düsseldorferin Elly Ney lebte seit 1929 bis zu ihrem Tod im Jahr 1968 in Tutzing. Sie war Hitler-Anhängerin, Antisemitin, Antidemokratin. Im Jahr 1937 wurde sie von Hitler zur Professorin ernannt. Im Jahr 1944 wurde sie in die "Gottbegnadetenliste" aufgenommen. Sie war mehr als eine Mitläuferin des NS-Regimes, sie war ein aktive Unterstützerin. Und damit sei sie kein Vorbild für die junge Generation. Friedrich verwies auch auf das Gutachten einer Münchner Kommission, die die Umbennung der Elly-Ney-Straße empfohlen hatte.
Diskussion über Belastungen für Anwohner mit Unmutsäußerungen im Zuschauerraum
Gemeinderätin Christine Nimbach erinnerte in einem langen Wortbeitrag an eine Sondersitzung des Gemeinderats am 9. Februar 2009 über die Entfernung der Büste, die mit dem Kompromiss geendet hatte, an der Büste eine Tafel mit erläuterndem Text anzubringen. Auch weitere Ratsmitglieder verwiesen auf die schwierige Beschlussfassung und plädierten dafür, den Straßennamen beizubehalten. Man habe bis in die Nacht hinein getagt und die Entscheidung habe schlaflose Nächte gekostet.
Viel Raum nahmen in der weiteren Diskussion der Einwurf von Ratsmitglied Caroline Krug (ÖDP) zur praktischen Umsetzung der Umbennenung ein. Beispielsweise dass persönliche Dokumente wie Personalausweis und Führerschein neu ausgestellt werden müssten und damit für die Anwohner Belastungen entstünden. An dieser Stelle kam es zu Unmutsäußerungen im Zuschauerraum. Paul Friedrich entgegnete darauf, dass andere Gemeinden das Problem lösten, indem sie für eine Übergangsfrist von zwei Jahren beide Straßennamen gelten lassen und für dieser Dauer zwei Straßenschilder aufgestellt werden, so dass Postzustellungen unproblematisch weiter gingen.
Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit Tutzings geplant
In der anschließenden Diskussion bestand jedoch große Einigkeit, dass die Ehrung von Elly Ney nicht angebracht sei. Die Ehrung sei demokratiefeindlich. Viele Ratsmitglieder gingen über den Antrag des Jugendbeirats hinaus und empfahlen, die Büste an der Brahmspromenade zu entfernen. Ratsmitglied Dr. Wolfgang Behrens-Ramberg (Tutzinger Liste) erinnerte zudem an ein Vorgespräch, das der Jugendbeirat mit den verschiedenen politischen Gruppierungen geführt hatte: dass die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit Tutzings folgen müsse. Diese sei in den Nachbargemeinden Pöcking und Feldafing bereits erfolgt. Paul Friedrich bestätigte daraufhin, dass ein entsprechender Antrag des Jugendbeirats bereits eingereicht sei.
Der Gemeinderat hat den Wunsch geäußert, an die Geschichte zu erinnern. Der Jugendbeirat hatte entsprechend eine Informationssäule zu Elly Ney angeboten. Um zwischen dem Antrag des Jugendbeirats und der Zuständigkeit und Arbeit des Gemeinderats sauber zu trennen, wurde mit 12 zu 3 Stimmen beschlossen
1. in Tutzing keine Straße nach Elly Ney zu benennen,
2. die Büste an der Brahmspromenade zu entfernen und
3. die Verwaltung zu beauftragen, mit Unterstützung des Jugendbeirats und des Ortsgeschichtlichen Arbeitskreises eine geeignete Form der Erinnerung vorzuschlagen.
Laut einer Umfrage des Jugendbeirats sollen viele Anwohner die Umbenennung unterstützen. Die jetzige Elly-Ney-Straße hat 21 Hausnummern und ist eine kleine Stichstraße vom “Am Pfaffenberg”.
Zum Antrag des Jugendbeirats: Elly-Ney-Straße soll "Am Pfaffenberg" heißen
unter: https://www.jugendbeirat-tutzing.de/elly-ney
Rede von Paul Friedrich zum Antrag auf Umbenennung der Elly-Ney-Straße
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Kommentare
Ein weiteres Hinauszögern bringt die Kuh nicht vom Eis, macht die Sache aber am Ende für die betroffenen Anwohner von Jahr zu Jahr teurer. Stichwort Inflation.
Apropos: Die Tutzinger Lindemannstraße hieß in meiner Jugend auch noch Weilheimer Straße.
Umbenennungen von Straßen sind auch in & für Tutzing nichts Ungewöhnliches.
Danke, dass Sie diesen tragen, Sie machen Tutzing damit zu einem besseren Ort!
Man sollte sich dazu vergegenwärtigen, was der von Elly Ney verehrte Nationalsozialismus tatsächlich bedeutete: den größten Massenmord der Menschheitsgeschichte, verbunden mit systematischer Entrechtung, Erniedrigung und Vernichtung unzähliger Millionen. Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung, Sozialdemokraten, jegliche politischen Gegner und viele weitere wurden auf unvorstellbare Weise gequält, gefoltert und ermordet.
Gegenüber diesem Abgrund aus Leid und Grausamkeit wirken die angeblichen „Zumutungen“ einer Straßenumbenennung wie eine zynische Verkehrung der Verhältnisse. Zur Debatte steht nicht ein Verwaltungsakt, sondern die Frage, ob eine Täterfigur weiterhin ausgezeichnet wird. Wer angesichts dieser historischen Verbrechen in seinem Wortbeitrag und Abstimmungsverhalten als Gemeinderat die Bequemlichkeit höher bewertet als die klare Distanzierung, hat den Maßstab von Menschlichkeit und Verantwortung verloren.
Ein weiterer Einwand lautete, durch die Entfernung von Straßenschild und Büste werde die Erinnerung „ausradiert“. Das verkennt Wesen und Funktion öffentlicher Zeichen, denn Straßennamen und Denkmäler sind keine neutralen Lexikoneinträge am Straßenrand, sondern Formen der Ehrung. Niemand löscht geschichtliche Ereignisse aus, wenn er Ehrenplätze entzieht; man beendet lediglich eine völlig unpassende Würdigung. Wer ernsthaft erinnern will, schafft Kontext, beispielsweise mit einer erklärenden Tafel, mit Bildungsangeboten in Schulen und einer lokalen Ausstellung zur NS‑Zeit in Tutzing.
Die prägnante Wahrheit lautet daher: Erinnerung heißt aufklären, nicht auszeichnen.