Energie
12.3.2025
Von vorOrt.news

Überraschende Wendung beim Bürgersolarpark

Energiegenossenschaft stoppt ihr Engagement - Eine neue Tutzinger Gesellschaft soll das Projekt führen

B-rgersolarpark.jpg
Beidseits der Bundesstraße 2 (links) soll der Tutzinger Bürgersolarpark entstehen, für den derzeit die Weichen neu gestellt werden © L.G.

„Freiflächensolarpark am Oberen Hirschberg ist aktuell gestoppt“: Diese überraschende Mitteilung enthält der jüngste Newsletter der Energiegenossenschaft Fünfseenland. Nachdem die Konzeptentwicklung dieser Anlage im vergangenen Jahr an Dynamik gewonnen habe, stehe das Projekt vor einer unerwarteten Wendung. Eine Initiative innerhalb Tutzings setze sich dafür ein, eine eigene Bürgerenergiegesellschaft nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) 2023 zu gründen, um das Projekt eigenständig durch die Tutzinger Bürgerschaft umzusetzen.

Für den Solarpark waren die Vorbereitungen eigentlich schon weit gediehen. Die Initiative „Tutzing klimaneutral 2035“, von der die Idee stammt, hatte gemeinsam mit der Energiegenossenschaft intensiv daran gearbeitet. Von Anfang an mit dabei war auch Marlene Greinwald. Die frühere Tutzinger Bürgermeisterin war Mitgründerin von Tutzing klimaneutral 2035, und sie hat in ihrer Zeit an der Rathausspitze den Kontakt zu Franz von L’Estocq hergestellt, dem der für den Solarpark vorgesehene Grund beidseits der Bundesstraße 2 nahe der Abzweigung nach Kerschlach gehört. Heute ist Marlene Greinwald Vorstandsmitglied bei der Energiegenossenschaft und in dieser neuen Funktion schon seit einiger Zeit an den Diskussionen über die Strukturen des Projekts beteiligt.

Wie kommt die Tutzinger Bevölkerung am besten zum Zuge?

Stromtankstelle.jpg
Direkt an der Bundesstraße könnte es eines Tages neben dem Solarpark Stromtankstellen geben © pixabay

Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Frage, wer sich bei diesem Projekt schwerpunktmäßig engagieren soll. Die Anlage, für deren erste Ausbaustufe rund zehn Millionen Euro Kosten geschätzt werden, soll mit Beteiligung zahlreicher Einheimischer finanziert werden. Aber in Tutzing hat es offenkundig Bedenken gegeben, dass es sich nicht überwiegend um die Tutzinger Bevölkerung handeln könnte, denn die Energiegenossenschaft hat Mitglieder in der gesamten Region rund um den Starnberger See und den Ammersee.

Deshalb soll am Mittwoch eine so genannte Bürgerenergiegesellschaft „Bürgerenergie Tutzing“ in der Rechtsform einer Genossenschaft gegründet werden. Drei Tutzinger sind dabei zu Beginn mit von der Partie: Marco Lorenz, der auch schon die Initiative „Tutzing klimaneutral 2035“ auf den Weg gebracht hat, Martin Fischer, der Gründer des inzwischen verkauften IT-Unternehmens Lobster, und Franz von L’Estocq, der Leiter des Forstbetriebs Neuseeheim. Als Eigentümer der Fläche, auf der der Solarpark entstehen soll, ist er in einer entscheidenden Position.

Mit einer eigenständigen Tutzinger Gesellschaft verbinden die drei Initiatoren offenbar die Erwartung, dass das Projekt überwiegend durch die Tutzinger Bürgerschaft getragen werden kann. Es scheint finanzstarke Interessenten zu geben, die sich eventuell mit größeren Summen engagieren wollen. Das verbinden Skeptiker mit Befürchtungen, dass dann weniger vermögende Einheimische nicht zum Zuge kommen könnten. Marco Lorenz versichert demgegenüber, dass auch kleinere Beteiligungen ab 100 Euro oder 200 Euro möglich sein sollen. Zu großem Einfluss einiger Personen glaubt er mit dem genossenschaftlichen Modell entgegenwirken zu können, nach dem jeder Anteilseigner unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung nur ein Stimmrecht haben soll. Erst wenn sich nicht genügend Mitwirkende in dieser Gemeinde finden, soll auch nach anderen Interessenten Ausschau gehalten werden.

Der Name „Bürgerenergie Tutzing“ für die neue Gesellschaft wird bewusst allgemein gehalten: Unter ihrem Dach sollen auf Dauer möglicherweise auch andere Bereiche als die Solarenergie geführt werden. An Elektroladesäulen wird dabei bereits gedacht, unter anderem direkt an der Bundesstraße. Auch ein Nahwärmenetz mit dem anspruchsvollen Seewärme-Projekt könnte dazu gehören.

Anzeige
Edekla-Fisch1.png

Vorteile durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz

Agri-PV.png
"Agri-PV" mit einer Doppelnutzung von Gebieten für Solarenergie und Landwirtschaft soll eine höhere Vergütung ermöglichen © Fraunhofer ISE

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 liefert nach Meinung von Lorenz eine gute Grundlage für die neue Gesellschaft. Er sieht etliche Vorteile, so bei der Förderung, durch einen Wegfall der Ausschreibungspflicht und wegen besonderer Vergütungsregelungen, gerade auch für eine „Agri-PV-Anlage“, wie sie in Tutzing geplant ist, also eine Anlage, die die Nutzung für die Stromerzeugung ebenso ermöglicht wie die Nutzung als landwirtschaftliche Fläche. Das Projekt soll im ersten Bauabschnitt ungefähr 12 Hektar der verfügbaren Fläche belegen und 6 Megawatt Leistung haben. Aufgrund der Agri-PV-Nutzung ist die Leistungsdichte geringer als bei der ursprünglich angedachten Freiflächenanlage. Die Begrenzung auf 6 MW ergibt sich aus den EEG-Regelungen für Bürgerenergiegesellschaften. Die restliche Fläche kann im zweiten Bauabschnitt - dann ohne EEG-Förderung - noch mit weiteren PV-Modulen vervollständigt werden, falls dies wirtschaftlich umsetzbar ist.

Die neuen Pläne in Tutzing sind jedoch umstritten. Nach Meinung von Marlene Greinwald wäre eine mehrheitliche Beteiligung der Tutzinger Bevölkerung auch im Modell mit der Energiegenossenschaft möglich gewesen. Die Energiegenossenschaft sei eben deshalb für die Region gebildet worden, damit nicht jede Gemeinde bei solchen Projekten alles selbst machen müsse. In ihrem Newsletter warnt die Energiegenossenschaft ausdrücklich, die neue Entwicklung verzögere insbesondere aufgrund der sich ändernden Förderbedingungen für erneuerbare Energien den angedachten Projektzeitplan und erhöhe die Unsicherheiten. Marco Lorenz gibt sich dagegen überzeugt, den vorgesehenen Zeitplan auch mit der neuen Konstellation einhalten zu können.

In der nächsten Tutzinger Gemeinderatssitzung am 11. März soll das Thema offenbar schon unter den neuen Voraussetzungen behandelt werden. Dabei dürfte es um den Abschluss eines städtebaulichen Vertrags mit der dann wohl bereits gegründeten neuen Gesellschaft gehen, der als Grundlage für die Ausarbeitung des Bebauungsplanentwurfs gilt.

Die Energiegenossenschaft Fünfseenland will sich an dem Vorhaben der Bürgerenergiegesellschaft nach EEG auch wegen der eingeschränkten Beteiligungsmöglichkeiten nicht beteiligen, wie sie in ihrem Newsletter erklärt. Ihre Äußerungen klingen dennoch ein wenig nach einem offen gehaltenen Hintertürchen: Eine finale Entscheidung über den weiteren Verlauf des Projekts stehe noch aus, und es bleibe abzuwarten, wie sich der Flächenbesitzer entscheide. Wenn die Energiegenossenschaft nicht bei der Anlage mitwirken sollte, will sie ihre bisherigen Vorleistungen zurückerstattet bekommen.

ID: 7579
Über den Autor

vorOrt.news

Add a comment

Anmelden , um einen Kommentar zu hinterlassen.

Comments

Sehr geehrter Herr Rekus,

Sie treffen den Nagel auf den Kopf, wie wenn Sie erahnt hätten, dass wir uns genau mit dieser Frage und möglichen Lösungen gerade sehr intensiv beschäftigen.

Risiken können, seien sie klein oder groß, zwar durch sorgfältige und professionelle Projektplanung minimiert, nicht aber aus der Welt geschafft werden.

Was aber unserer Absicht nach unbedingt gewährleistet sein muss ist eine umfassende Risikoaufklärung, gepaart mit einer entsprechenden Vergütung, die sich mit dem Finanzmarkt messen kann. Nur so können wir erwarten, die benötigten Summen von Tutzinger Bürgerinnen und Bürgern auch einwerben zu können.

Wir werden zwei Beteiligungsvarianten anbieten: zum einen die etwas riskantere Beteiligung am Eigenkapital der Genossenschaft über Geschäftsanteile und Nachrangdarlehen, die im Gegenzug auch entsprechende Gewinnperspektiven eröffnet, zum anderen eine festverzinste Beteiligungsmöglichkeit über Fremdkapital, das im Fall der Fälle erstrangig bedient wird.

Lassen Sie uns noch ein paar Wochen Zeit, bis wir unsere Pläne rechtssicher modelliert haben und veröffentlichen können, in der Zwischenzeit dürfen Sie gespannt sein und uns dann gerne beim Wort nehmen.
Auf der inzwischen veröffentlichten Tagesordnung für den Gemeinderat am 11.3.2025 finde ich unseren Bürgersolarpark jetzt zwar noch nicht genannt, aber dann wird dieses Thema gewiss auf einem der nächsten Sitzungstermine behandelt werden.

Ich freue mich, dass in Tutzing um die beste Form der Bürgerbeteiligung offen & sachlich gerungen wird.
Aus Sicht eines aufmerksam beobachtenden Kleinanlegers, der grundsätzlich gerne investieren würde, weise ich darauf hin, dass mir - und sicherlich vielen anderen aus der Tutzinger Bürgerschaft - dabei Sicherheit vor Rendite geht.

Man darf niemals vergessen, dass wir hier zuoberst über die Ersparnisse & Altersvorsorge vieler Tutzinger Bürgerinnen & Bürger reden!!
Erst danach kommt für die einen die Investition in nichtfossile, erneuerbare Energie und für andere die Rendite.
Als aufweckendes Beispiel mögen uns die Kleinanleger rund um die BayWa r.e. eine Warnung sein, deren Tage & Nächte voller Existenzsorgen noch längst nicht vorbei sind.

Deswegen müssen wir - bitte bitte bitte - eine Bürgerbeteiligung hinbekommen, die den Tutzinger Kleinanlegern mehr Sicherheit bietet, als die bislang zu oft angebotenen NACHRANGDARLEHN.
Diese Nachrangdarlehn bieten Kleinanlegern im Notfall keinerlei Schutz; denn sie müssen sich ganz hinten anstellen, und bekommen ihr Geld erst zurück, wenn zuvor alle anderen Gläubiger ausbezahlt wurden, von dem was noch da ist.
(So ist das Wesen der Nachrangdarlehn.)

Nachtrag:
Verbraucherschützer sprechen sogar von Etikettenschwindel & Verbrauchertäuschung, da es sich genau genommen eben gar nicht um eine echte Beteiligung der Bürger im wörtlichen Sinne handelt, sondern nur um eine sehr, sehr schwach besicherte Darlehnsfinanzierung, die bei Problemen im Laufe des Projektes mit als Erste hinten 'runterfallen.
Eine Kapitalanlage aus dem sog. Grauen Kapitalmarkt mit höchster Risikostufe bei minimalen (Schutz) Rechten für die Anleger.
(Bearbeitet)