Bauplanung
17.4.2023
Von Lorenz Goslich

Baurecht auf bisher freien Flächen?

Tutzinger Klosterwiese zeigt: Es kann schnell gehen - Überlegungen über Bebauung neben Kustermannvilla

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Trotz der fortschreitenden Bebauung prägen auch immer noch etliche freie Flächen das Ortsbild von Tutzing. Manche dieser Flächen befinden sich in Privat- oder Gemeindeeigentum, einige werden zu Veranstaltungs- oder Freizeitzwecken genutzt, andere gelten aus Gründen des öffentlichen Seezugangs, des Natur- oder Denkmalschutzes als unantastbar. Doch wie schnell es in dieser Hinsicht Änderungen geben kann, dafür liefert zurzeit die so genannte Klosterwiese den rechten Tutzinger Durchblick.

Eine Bebauung an dieser Stelle hätte wohl kaum zur Debatte gestanden, wenn nicht dringend ein Standort für eine Flüchtlingsunterkunft benötigt würde. Dass trotz dieses Bedarfs keineswegs jede freie Fläche für solche Zwecke zur Verfügung gestellt wird, belegen die Diskussionen um andere Plätze, ganz besonders die um den Minigolfplatz, aber auch um die so genannte Lindlwiese neben dem Rathaus, deren Nutzung hierfür ins Gespräch gebracht, aber schnell abgelehnt wurde.

Überlegungen über Nutzungen wertvoller Grundstücke

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Die Klosterwiese - vom Gartenparadies der Missions-Benediktinerinnen zum Standort für die Flüchtlingsunterkunft © L.G.

Auch die Nutzung der Klosterwiese für die Flüchtlingsunterkunft hatte bei deren Eigentümern, den Missions-Benediktinerinnen, zunächst für Debatten und schließlich sogar für eine interne Abstimmung gesorgt. Das lässt sich nachvollziehen: Wenn auf so einem Areal zwar vorübergehend, aber immerhin für mehrere Jahre eine doch recht ansehnliche Containeranlage steht, dann darf durchaus hinterfragt werden, was das auf Dauer bedeuten und für Folgen haben könnte. So dürfte nicht auszuschließen sein, dass eine solche befristete Anlage der Einstieg in eine spätere dauerhafte Bebauung dieser Fläche sein könnte. Damit könnte die Flüchtlingsunterkunft ein Signal für die weitere Bauentwicklung in diesem Gebiet sein.

Dass es über die Nutzung auch anderer noch freier Flächen in Tutzing zumindest Überlegungen gibt, ist kein Geheimnis. Die Gemeinde braucht dringend Geld, so für die teure Sanierung der Mittelschule. In Tutzing gibt es wertvolle Grundstücke - da tauchen schnell Begehrlichkeiten auf. Tatsächlich hat die Gemeinde bereits die Kustermannvilla verpfändet.

Auch andere kommunale Liegenschaften wurden unter ähnlichen Aspekten untersucht. Das gilt zum Beispiel für den Minigolfplatz an der Seestraße. Wenn aber nennenswerte finanzielle Beträge hereinkommen sollen, dann drängt sich sowohl beim Minigolfplatz als auch bei der Kustermannvilla die Frage nach Baurecht auf. Da gibt es viel Wenn und Aber. Der Minigolfplatz ist Teil des Freizeit- und Erholungsgeländes im Tutzinger Süden, er soll vielleicht als Spielfläche neu belebt werden - aber wird das auf Dauer sein?

Der Kustermannpark ist ein Naturdenkmal, da galten alle Bauabsichten als tabu. Die Kustermannvilla schwankt derzeit von Nutzung zu Nutzung. Vorübergehend war sie ein Künstlergebäude, eventuell soll sie zu einem "Coworking-Space" werden, es soll aber auch schon Überlegungen über eine Teilbebauung des Grundstücks geben.

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Eine Fläche im Ort, die möglichst frei bleiben soll: die Lindlwiese nahe Rathaus und Kirche St. Joseph © L.G.

Bei manchen Bautvorhaben geht es rasant - andere ziehen sich sehr lange hin

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"Haus 1" und "Haus 2" der geplanten Flüchtlingsunterkunft zwischen Gröberweg und Kloster © Landratsamt Starnberg

Für die sich abzeichnenden Veränderungen des Tutzinger Ortsbilds liefert die Klosterwiese schon aufschlussreiche Anhaltspunkte - und auch dafür, wie rasant es gehen kann, im Gegensatz zu anderen Vorhaben wie Seehof oder Andechser Hof, die sich über Jahre oder gar Jahrzehnte hinziehen. Den Bau der Flüchtlingsunterkunft auf diesem Areal hat der Tutzinger Gemeinderat schnell befürwortet. Er wird eine ansehnliche Größe haben. Zwei Bauzeilen sind geplant, beide etwa parallel zur Hauptstraße, beide mit Erdgeschoss und erstem Stock. Auf einem Plan der Anlage steht „Haus 1“ und „Haus 2“. Insgesamt soll für 144 Personen Platz sein, aber eine Komplettbelegung wird nicht erwartet. So sollen Familien unter sich bleiben, auch wenn in den betreffenden Räumen noch mehr Platz sein sollte. 24 Wohnungen in den beiden langgestreckten Bauzeilen sollen jeweils über sechs Betten verfügen, der Zugang soll vom benachbarten Gröberweg aus sein.

Im westlichen Bereich sollen einige Bäume und Büsche gefällt werden, damit der Bau ermöglicht wird. Nach Angaben des Bauamts handelt es sich vor allem um Tannen und Fichten. Rund um die Anlage herum soll es eine 1,20 Meter hohe Einfriedung geben. Die geplanten Flachdächer sind nach Meinung von Bernd Pfitzner (Grüne) bestens für Fotovoltaik geeignet, doch die ist bisher trotz aller Klimabeschlüsse des Landkreises und der Gemeinde nicht vorgesehen. Die Gemeinde hat sie aber auf Pfitzners Vorschlag hin als Anregung in ihren Beschluss mit aufgenommen.

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Die Kustermannvilla und der Minigolfplatz, hier noch auf einem Bild aus seinen besseren Zeiten: Was wird aus ihnen langfristig werden? © L.G.

Die Flüchtlingsunterkunft soll über Jahre stehen bleiben

Auch einen Spielplatz soll es geben, allerdings ohne Sandkasten, denn es gibt Befürchtungen, dass Hubschrauber beim Patiententransport zum nahen Landeplatz beim Krankenhaus Sand aufwirbeln könnten, der den Kindern in die Augen fliegt. Für eine der beiden Bauzeilen waren zunächst sogar drei Geschosse im Gespräch, also Erdgeschoss und zwei Stockwerke. Doch dazu kommt es nun nicht. Zwei Geschosse seien verträglicher fürs Ortsbild, so wurde im Gemeinderat argumentiert, und auch für die Akzeptanz der Anlage in der Bevölkerung sei dies sicher besser.

Eine spätere Aufstockung auf drei Geschosse gilt aber offenbar nicht als ausgeschlossen. Planungsrechtlich sei sie möglich, bestätigte das Bauamt auf Nachfrage von Stefan Feldhütter (Freie Wähler). Denn wie sich die Flüchtlingsbewegung weiter entwickeln wird, weiß niemand. Fünf Jahre lang soll die Anlage zunächst bestehen bleiben, wie der Starnberger Landrat Stefan Frey (CSU) in einer früheren Gemeinderatssitzung angekündigt hat. Eine Verlängerung gilt aber heute schon als wahrscheinlich.

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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Ein wirkliches Problem waren/sind die Bahnen der Minigolfanlage. Ich fände es schade, wenn der Minigolfplatz einer Bebauung des Grundstücks weichen müsste. Lassen sich die auf dem Grundstück befindlichen Bauwerke nicht im Rahmen des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts sanieren ?
Man fasst es einfach nicht. Wir leben mitten in der sich beängstigend aufbauenden Klimakatastrophe und unser Gemeinderat setzt mitsamt Bürgermeisterin unverändert dasjenige politische Handeln fort, das uns direkt in ebendiese Katastrophe geführt hat. So wird weiterhin Baugrund ausgewiesen und werden Böden versiegelt, als spiele die Bautätigkeit des Menschen keine Rolle dafür, dass zum Beispiel derzeit Frankreich und Italien schon im Winter vollständig trockenfallen. (Nach dem Winter ist vor dem El Niño-Sommer.) Unsere heutigen angeblichen Sachzwänge, die nichts weiter sind als wenig Geld in der Gemeindekasse, sind für uns immer noch wichtiger als der Schutz der natürlichen Ressourcen. Ressourcen, die nicht für irgendeinen sentimentalen Quatsch stehen, sondern entscheidend für die Frage sind, wann Isar, Loisach und Lech austrocknen bzw. sich wieder die nächsten Jahrtausendhochwasser in einer Dekade ballen. Wir reden hier über unsere Lebensgrundlagen!

Nochmal im Kurzform: Unsere politische Führung verscherbelt Allgemeingut an Superreiche, die auf diesem Naturgrund Oberflächen versiegeln und damit den Klimawandel weiter anfachen. Gleichzeitig werden im Gemeinderat Klimabeschlüsse unterzeichnet ("nachhaltige Nutzung aller heimischen Ressourcen"), die in Sachen Klimaschutz kaum das Papier wert sind, auf dem sie stehen. Die Kurzsichtigkeit derer in Amt und Würden scheint grenzenlos zu sein.
Auf welchem Platz des Grundstücks an der Seestrasse soll denn das Baurecht entstehen ? Der ehemalige Volksfestplatz und die Fläche beim ehemaligen Beachvolleyballplatz bieten sich ebenfalls an.
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